Morgenglosse

Freuen wir uns über diesen geschenkten Tag!

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Das Schaltjahr ist ein ziemlicher Pfusch, und wer an einem 29. Februar geboren wurde, galt früher als besessen. Wir jubilieren trotzdem.

Wer kennt nicht das schöne Gefühl, wenn man morgens aufwacht, auf die Uhr schaut und erleichtert frohlockt: Erst so früh, da kann ich ja noch eine Stunde schlafen! In diesem Sinne: Freuen wir uns, dass wir heute einen ganzen zusätzlichen Tag geschenkt bekommen, dass der Februar noch nicht am Ende ist und der März noch nicht droht. Mitten in der Fastenzeit, wo wir alle darben sollten, darf es auch einmal ein bisserl mehr sein. Seien wir dankbar. Aber wem? Julius Caesar vielleicht, der den julianischen Kalender mit dem Schalttag alle vier Jahre eingeführt hat. Oder besser dem Pharao Ptolemaios III, der schon rund 200 Jahre früher auf diese großzügige Idee kam.

Wirklich funktioniert hat sie freilich nicht. Sonnenjahr und Kalender passen nicht exakt zusammen, und in dem daraus resultierenden Pfusch liegt eine tiefe Weisheit: Wir Menschen sind eben mehr als nur ein Teil der Natur, gehen in ihr nicht auf. Gerade deshalb schaffen wir es aber auch nicht, ihr die von uns gestaltete Ordnung aufzuzwingen. Schon 1528 waren Wunsch und Wirklichkeit so weit auseinandergedriftet, dass Papst Gregor XIII. seinen Zeitgenossen zur Korrektur zehn ganze Tage wegnehmen musste. Wer sich damals am Abend des 4. Oktober ins Bett legte, entstieg ihm morgens darauf am 15. Oktober – eine gruselige Vorstellung. Damit wir nicht nochmals in ein solch übles Zeitloch fallen, führte Gregor das hatscherte Säkularjahr ein: Die Jahre, die ein Jahrhundert abschließen, wären zwar durch vier teilbar, sind aber trotzdem keine Schaltjahre, außer sie sind durch 400 teilbar, wie das Millenniumsjahr 2000, das dann doch eines war – wer soll sich da noch auskennen! Tand, Tand ist das Gebilde von Menschenhand!

Unser herzlicher Glückwunsch gilt den heutigen Geburtstagskindern, auch wenn sie rein numerisch mit einem kurzen Leben rechnen müssen. In den üblichen Gemeinjahren (gemein auch, weil sie so kurz sind) müssen sie sich entscheiden, ob sie das ihnen zustehende Jubiläum vorfeiern, nachfeiern oder ganz ignorieren. Zum Troste seien sie daran erinnert, dass es ihre Leidensgenossen in früheren Zeiten noch viel schlimmer traf: Man hielt sie für Unglückskinder, von bösen Geistern besessen. Woher der ganze absurde Aberglaube rund um Schalttage und -jahre? Er rührt wohl von einer traditionellen Tendenz, alles vom Normalen Abweichende als negativ zu werten, was gewisse Parteien bis heute unschön ausschlachten. Auch vom Heiraten an einem Schalttag riet man jungen Paaren früher dringend ab. Dabei dürfte ein Hochzeitstag am 29. Februar sogar das künftige Eheglück fördern: Man kann auf ihn nur alle vier Jahre vergessen.

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