Forschungsfrage

Warum schmerzen bei einem Wetterwechsel die Gelenke?

Die Hauptursache für Wetterfühligkeit dürfte der atmosphärische Druck bzw. Luftdruck sein.
Die Hauptursache für Wetterfühligkeit dürfte der atmosphärische Druck bzw. Luftdruck sein.Imago / Bernd Feil/m.i.s.
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Kälte nimmt der Gelenkflüssigkeit ihre Funktion als „Stoßdämpfer“. Muskeln, Sehnen und Gelenke verspannen und verfestigen sich.

Wenn sich der ausklingende Winter anfühlt wie früher der April, nehmen durch Wetterumschwung verstärkte Beschwerden zu. Betroffene suchen zum Beispiel wegen Kopfschmerzen, Schwindel, Müdigkeit und Schlafstörungen Hilfe. „Viele beschreiben auch Probleme mit dem Bewegungs- und Stützapparat“, weiß Richard Crevenna, Leiter der Uniklinik für Physikalische Medizin, Rehabilitation und Arbeitsmedizin an der Med-Uni Wien. 

Ein Zusammenhang derartiger Beschwerden mit dem Wetter galt lang als eingebildet, die darüber klagenden Menschen als überempfindlich. Auch heute wird der von Crevenna favorisierte Grundsatz „Die Patientin/der Patient hat immer recht“ nicht überall ernst genommen. Doch mittlerweile haben Studien gezeigt, dass Wetterfühligkeit durchaus einen realen Hintergrund haben kann. „Die Hauptursache dafür scheint der atmosphärische Druck bzw. Luftdruck zu sein“, sagt der Schmerzexperte. Kurz bevor das Wetter umschlägt, sinkt der Luftdruck. „Dadurch wirkt weniger atmosphärischer Druck und damit Gewicht auf unseren Körper ein, wodurch sich unsere Gewebe ausdehnen. Sie üben Druck und Dehnreize auf unsere Gelenkstrukturen aus. Das kann zu Schmerzen führen.“

Gelenkflüssigkeit wird zäher

Durch Feuchtigkeit und Kälte verspannen und verfestigen sich Muskeln, Sehnen und Gelenke. Kälte macht die Gelenkflüssigkeit zähflüssiger. „Sie verliert dann ihre abschwächende, dämpfende Funktion als ‚Stoßdämpfer‘“, so Crevenna. Deshalb werden Gelenke steifer, die Reibung wird erhöht. Schmerzen und Bewegungseinschränkungen können zunehmen. Allerdings weisen Studien und Metaanalysen darauf hin, „dass die Einflüsse durch Wetterumschwünge äußerst gering sind. Nur bei Gicht scheint es eindeutige Zusammenhänge zu geben“, schränkt er ein.

Plötzlich eintretende Feuchtigkeit, Kälte, Wind oder Zug können besonders ältere Patientinnen und Patienten, chronisch Kranke sowie Menschen mit rheumatologischen Erkrankungen oder nach Amputationen zwingen, medizinische Hilfe zu suchen. Denn bei Wetterumschwüngen können „bestehende Gelenkabnutzungen und Erkrankungen vermehrt aktiv werden. Man spricht dann von aktivierten Arthrosen“, erklärt der Forscher, der auch Geriater ist und dazu im Bereich der onkologischen Rehabilitation an der Med-Uni Verantwortung trägt. Bei aktivierten Arthrosen kann es „zu Schmerzen, Schwellungen, zur Überwärmung, Bewegungseinschränkung und Rötungen kommen. Wichtig ist, auf solche Entzündungssymptome nicht mit einer Wärmebehandlung, sondern mit einer kühlenden Therapie zu reagieren.“

»Bei Wetterumschwüngen können bereits bestehende Gelenkabnutzungen und Erkrankungen vermehrt aktiv werden.«

Richard Crevenna,

Rehabilitationsmediziner

Er rät angesichts des milden österreichischen Klimas zu Kleidung, die vor Wind und Regen schützt. Bei beginnenden Schmerzen helfen „Anwendungen, die Wärme generieren können, wie warme Bäder, Packungen, Paraffinbäder für die Hände und physikalische Therapien“. Nahrungsergänzungsmittel, wie sie in der Werbung massiv empfohlen werden, hält er für weitgehend wirkungslos. Wichtig sei, sich gesund zu ernähren. Ein wärmender Ingwertee sei durchaus einen Versuch wert. Außerdem sollte man sich Witterungseinflüssen wie Feuchtigkeit, Kälte, Zug und Wind so wenig wie möglich aussetzen.

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