Türkise Ministerin

Karoline Edtstadler: „Ich bin nicht die Totengräberin der Pressefreiheit“

Karoline Edtstadler (ÖVP), hier in ihrem Büro im Kanzleramt, wäre dem Job als EU-Kommissarin keineswegs abgeneigt.Foto: Clemens Fabry
Karoline Edtstadler (ÖVP), hier in ihrem Büro im Kanzleramt, wäre dem Job als EU-Kommissarin keineswegs abgeneigt.Foto: Clemens FabryClemens Fabry
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Kanzleramtsministerin Karoline Edtstadler über Zitierverbote, den „Aktionismus“ der grünen Klimaministerin – und das Vermächtnis von Sebastian Kurz. Eine FPÖ ohne Herbert Kickl an der Spitze hält sie für unwahrscheinlich, daher plädiert die ÖVP-Politikerin für eine „Regierung der konstruktiven Kräfte“.

Frau Edtstadler, Sie waren Richterin: Hätten Sie Sebastian Kurz auch verurteilt? 

Karoline Edtstadler: Gerade weil ich Richterin war, kommentiere ich ein laufendes Verfahren nicht. 

Kurz erklärte, dass er das Urteil nicht nachvollziehen könne.

Ich kann seine Betroffenheit nachvollziehen. Insbesondere vor dem Hintergrund, dass all das einer Situation im Untersuchungsausschuss entstammt. Es gibt einen U-Ausschuss, der politische Verantwortung aufzuklären hat. Und es gibt ein Strafverfahren. In den letzten Jahren ist hier eine grobe Vermischung entstanden, dabei müsste man diese Dinge auseinanderhalten. Wenn Abgeordnete glauben, sie sind die besseren Staatsanwälte, und verfassen Anzeigen, dann ist im Rechtsstaat etwas aus dem Lot geraten. 

Wie meinen Sie das? Dass Politiker nicht strafrechtlich verfolgt werden sollen, um Politik und Justiz nicht zu vermischen? Die falsche Beweisaussage, um die es im Fall Kurz geht, steht im Strafgesetzbuch. 

Nein, das heißt es nicht. Aber gerade weil ich Erfahrung als Richterin habe, kann ich Ihnen sagen, dass ich in vielen Verfahren – oft gemeinsam mit dem Staatsanwalt – zu verhindern versucht habe, dass Zeugen in eine Falschaussage laufen. Im U-Ausschuss dürfte das Klima genau gegenteilig sein. Ich brauche im Übrigen auch keinen Anlass wie diesen, um darüber zu sprechen, dass es eine Stärkung der Beschuldigtenrechte und einen fairen Verfahrenskostenersatz braucht. 

Soll Kurz in die Politik zurückkommen?

Er hat die Frage mehrfach klar mit Nein beantwortet. Das sollte man auch akzeptieren. 

Ist sein politisches Vermächtnis durch den Schuldspruch demoliert? 

Nein. Er wird immer derjenige bleiben, der die ÖVP in lichte Höhen geführt und den Bundeskanzler zurückgeholt hat. 

Sie sprachen eine Reform der Beschuldigtenrechte an: Vieles davon ließe sich sofort mit einem simplen Erlass aus dem Justizministerium regeln. Etwa, dass vor der Handy-Abnahme klar geregelt wird, welche Daten aus welchem Zeitraum ausgewertet werden dürfen. Warum passiert das nicht? 

Das müssen Sie die Justizministerin fragen. Es braucht hier so schnell wie möglich Klarheit – und eine gesetzliche Regelung. Wir sind in Gesprächen.

Wie ist Ihr Verhältnis zu Alma Zadić?

Wir haben schon bewiesen, dass wir schwierige Themen lösen können, vom Paket gegen Hass im Netz bis zum sehr sensiblen Thema des Sterbeverfügungsgesetzes. Aber es liegt auch auf der Hand, dass es Themen gibt, bei denen wir unterschiedlicher Meinung sind. Etwa bei der Ausgestaltung des Bundesstaatsanwaltes.

Die Einführung eines unabhängigen Bundesstaatsanwaltes wurde vor drei Jahren im Ministerrat paktiert. Kommt das noch?

Die Justizministerin hat eine Arbeitsgruppe eingerichtet, in der größtenteils Justizangehörige saßen. Das war also keine Einbindung in einer Weise, die eine Änderung der Bundesverfassung ermöglicht. Darauf beharrt sie aber. Alma Zadić will ein Dreiergremium an der Spitze der Weisungskette, aber meiner Ansicht nach muss es eine Person sein, die dem Parlament gegenüber verantwortlich ist. Man wird nicht unabhängiger, wenn man zu dritt ist. 

Also mit Dreier-Senat an der Spitze der Weisungskette wird es für Sie keine Bundesstaatsanwaltschaft geben?

Nein, das ist meine rote Linie.

Wie wahrscheinlich ist es also, dass das noch kommt? 

Ich bin Realistin. So sehr ich mir eine unabhängige Weisungsspitze wünsche, sehe ich auch, dass sich da zwei rote Linien gegenüberstehen. Eine Änderung darf es nur geben, wenn sie auch eine Verbesserung bringt. Und so schlecht wie sein Ruf ist unser jetziges System nicht. Übers Knie brechen würde ich hier nichts. 

Sie schrieben unlängst in einem Gastkommentar: „Es kann nicht sein, dass aus Ermittlungsakten umfassend in Medien zitiert wird, ohne sich um die Rechte der Betroffenen zu kümmern.“ Was soll genau unter Strafe gestellt werden? Können Sie ein konkretes Beispiel nennen? 

Ich habe oft das Gefühl, dass man mich als Totengräberin der Pressefreiheit hinstellen möchte, aber das ist nicht der Fall. Wir haben verschiedene Grundrechte – auch die Unschuldsvermutung ist eines. Mir geht es nicht darum, dass man über ein Ermittlungsverfahren berichten darf. Es sollen nur nicht wortwörtlich ganze Einvernahmeprotokolle in den Medien veröffentlicht werden können. Da geht es etwa um einen Beschuldigten und dessen Ruf, aber auch um andere Personen, die in den Chats vorkommen.

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