Mein Dienstag

Vor 45 Jahren war’s auch nicht besser als heute

Die angeblich „gute, alte Zeit“ vor ein, zwei Generationen brauchte unter anderem den Schlächter Khomeini an die Macht.
Die angeblich „gute, alte Zeit“ vor ein, zwei Generationen brauchte unter anderem den Schlächter Khomeini an die Macht.Associated Press
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Das Tagebuch des Schriftstellers Julien Green liefert Trost in Zeiten einer trüben Welt.

Ich vermute, wir können uns auf dies einigen: Die Welt gibt im Jahr 2024 kein besonders erfreuliches Bild ab. Klimakrise, Kriege, Fanatismus, dazu die wachsenden seelischen Nöte vieler Menschen, verstärkt durch die sogenannten sozialen Medien.

Doch in jenem „Früher“, von dem oft ältere Semester behaupten, es sei besser gewesen, ist es auch ziemlich abgründig zugegangen. Neulich fand ich in der Kiste der auszusondernden Bücher einer Brüsseler ­Bibliothek ein Exemplar des Tagebuchs, welches der amerikanisch-französische Schriftsteller Julien Green in den Jahren 1978 bis 1981 geführt hatte. Ein paar Zitate gefällig? 21. August 1978: „Im Iran hat ein Brand, von dem man glaubt, dass er von Fanatikern ausgelöst wurde, Hunderte Zuseher in einem Kino verkohlt. Der Notausgang war versperrt. Armes Land, das den Händen eines Wahnsinnigen entflieht, bloß um sich in jene der Erzbösen zu begeben.“ 20. November 1978: „Fast 400 Personen – Männer, Frauen, Kinder – haben sich im Dschungel von Guyana umgebracht, freiwillig oder von einem verrückten Amerikaner gezwungen.“ (Letztlich waren es mehr als 900 Tote). 31. April 1979: „In Harrisburg ein nukleares Leck, ein Unfall, der größten Alarm in ganz Amerika auslöst.“ 8. Mai 1979: „In Afghanistan großes Töten: Alles, was gegen die prosowjetische Politik der Regierung ist, wird massakriert.“ 26. Mai 1979: „Der Kaiser Bokassa, dieser von der französischen Regierung gestützte Hofnarr, hat rund hundert Schüler, die zu streiken beschlossen haben, erschießen, erwürgen, in Stücke schneiden lassen.“ Und so weiter und so fort.

Trost kann man jedoch in Greens erstem Eintrag jenes Journals finden, dem vom 3. August 1978: „Niemals konnte ich die Welt als Schattenort sehen, trotz der Nachrichten, die sie bisweilen überschatten. Die Welt hat seit jeher ihr Licht wegen der Menschheit, die sie bewohnt. Welchen Sinn hätte sie ohne sie?“

E-Mails an: oliver.grimm@diepresse.com

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