Stadtentwicklung

Graz Reininghaus: Beschaulichkeit auf der urbanen Flaniermeile

5000 Menschen leben bereits im neuen Stadtteil Reininghaus. Nun bemüht man sich, auch Geschäftstreibende ins Viertel zu holen.
5000 Menschen leben bereits im neuen Stadtteil Reininghaus. Nun bemüht man sich, auch Geschäftstreibende ins Viertel zu holen. Stadt Graz
  • Drucken

Die Reininghausgründe in Graz kommen nicht ganz in Schwung. Warum die Gründe für den Leerstand ein „Henne-Ei-Problem“ sind und wie eine gemeinsame Markenfindung aussehen könnte.

Samstagnachmittag im neuen Grazer Stadtteil Reininghaus: Eine Pensionistin führt ihren Pudel zur nahen Hundewiese, eine Mutter begleitet ihre beiden Sprösslinge zum siedlungseigenen Spielplatz. Die geplante „urbane Flaniermeile“ zwischen Wohntürmen und Park, die sie entlangschlendern, vermittelt in Anbetracht leerer Schaufenster anstelle der avisierten Clubs und Cafés eher Beschaulichkeit denn großstädtisches Flair.

Wohnungsangebot hinkt hinterher

5000 Menschen sind bisher in das größte zentrumsnahe Stadtentwicklungsgebiet Österreichs gezogen. Im Endausbau soll das 54 Hektar große ehemalige Brauerei-Areal doppelt so viele Bewohner beherbergen. 2750 der geplanten 5300 Wohneinheiten sind, knapp 20 Jahre nach Beginn des Entwicklungsprozesses und sieben Jahre nach Vergabe der ersten Baulose, fertiggestellt. Daniel Huber, Architekt und Leiter des Stadtteilmanagements in Reininghaus, bestätigt, dass vor allem auf dem freifinanzierten Sektor, der rund 40 Prozent des Wohnungsangebots ausmacht, einige Projekte dem ursprünglichen Zeitplan hinterherhinken. Schuld seien vor allem die Kostensteigerungen auf dem Bausektor, Lieferverzögerungen sowie die aktuelle Kreditsituation. „Auf einem Bauplatz mitten in Reininghaus klafft aufgrund des Konkurses des Projektbetreibers derzeit ein Loch“, schildert Huber. Einige Vorhaben seien auch durch langwierige Genehmigungsverfahren ins Stocken geraten.

»Es hätte wenig Charme, wenn alle Wohnungen belegt, aber nur ein Drittel der Gewerbeflächen vergeben sind.«

Alexander Daum

Obmann Förderverein Reininghaus

Bislang wurden 2750 der vorgesehenen 5300 Wohnungen fertiggestellt. Jedoch hinken einige den zeitlichen Vorgaben hinterher.
Bislang wurden 2750 der vorgesehenen 5300 Wohnungen fertiggestellt. Jedoch hinken einige den zeitlichen Vorgaben hinterher.Stadt Graz

Dass nicht alle Wohnbauprojekte im Eilzugtempo durchgepeitscht werden, sehen manche nicht nur negativ. Alexander Daum, Obmann des Fördervereins, zu dem sich die 17 in Reininghaus tätigen Bauträger zusammengeschlossen haben: „Es hätte wenig Charme, wenn alle Wohnungen belegt, aber nur ein Drittel der Gewerbeflächen vergeben sind.“

Nach vier Jahren: Bank und Supermarkt

Damit spricht er ein Manko an, das auch Karin Gruber sieht. Sie ist Bezirksvorsteherin von Eggenberg, einem jener drei Grazer Bezirke, über die sich das neue Stadtviertel erstreckt, und wohnt selbst im 14. Stock eines der Reininghaus-Wolkenkratzer. „Es ist schön hier. Aber wenn man sich abends treffen will, geht das nur in privatem Rahmen, denn Lokale gibt es im ganzen Viertel nicht.“ Drei Jahre nach Fertigstellung der ersten Wohnungen öffneten eine Bäckerei und ein Imbiss-Kiosk, nach vier Jahren folgten der erste Supermarkt und die erste Bank. „Will man mittags eine warme Mahlzeit, ist die Kantine des Impulszentrums die einzige Option“, merkt auch Huber an.

»Aber wenn man sich abends treffen will, geht das nur in privatem Rahmen, denn Lokale gibt es im ganzen Viertel nicht.«

Karin Gruber

Bezirksvorsteherin Eggenberg

Bei der Antwort auf die Frage nach dem Warum sind sich der Stadtteilmanager und Obmann Daum einig: Angebot und Nachfrage gehen zu weit auseinander. Konkret: Flächen ab 150 Quadratmeter seien für viele Gewerbetreibende einfach zu groß und bei Preisen von bis zu 15 Euro netto pro Quadratmeter nicht leistbar. Außerdem, so Huber, würden die Flächen meist im Edelrohbau übergeben, was zwar eine flexible Gestaltung ermögliche, den Mietern aber hohe Anfangsinvestitionen für den Innenausbau, für Fußböden, Heizung usw. abverlange. Da könne auch die öffentliche Förderung von 10.000 Euro leer stehende Geschäftslokale in der Sockelzone kaum verhindern.

Daum sieht die Aufgabe seines Vereins in der „gemeinsamen Markenfindung und gemeinsamen Vermarktung“ und weist auf kulturelle Impulse hin, die Interesse am neuen Stadtteil wecken sollen: Events wie das Straßenkunstfestival „La Strada“ oder das Installationskunst-Spektakel „Klanglicht“ ließen das Reininghaus-Quartier bereits aus kreativem Blickwinkel erleben. Und was eine attraktive Gestaltung des öffentlichen Raums betrifft, betont Stadtbaudirektor Bertram Werle, dass die dafür zuständige Stadt Graz den Großteil ihrer Hausaufgaben bereits erledigt habe: „Die Straßenbahn, die ausgedehnten Radwege und die Fußgängerzone werden eifrig genutzt, der drei Hektar große Park blüht.“

Weitere Grund: Verlangsamter Bevölkerungszuwachs

Dass der Leerstand in manchen der bereits fertiggestellten Bauten trotzdem bis zu ein Drittel beträgt, liegt den Experten zufolge zum einen daran, dass sich der Bevölkerungszuwachs in Graz entgegen den Prognosen zu Projektbeginn verlangsamt hat. Zum anderen sei das Konzept eines verkehrsarmen Stadtteils mit beschränkten Pkw-Abstellmöglichkeiten nicht auf die Bedürfnisse aller Wohnungssuchenden zugeschnitten und lasse auch Gewerbetreibende zögern, die um ihre Klientel bangen.

»Vielen Geschäftsleuten ist in Reininghaus das Kundenpotenzial – noch – zu klein, andererseits ziehen Menschen ungern in einen Stadtteil, in dem es ein geringes Geschäftsangebot gibt«

Daniel Huber

Leiter Stadtteilmanagement Reininghaus

„Letztlich ist es das Henne-Ei-Problem“, sagt Huber. „Was braucht man in einem neuen Stadtteil zuerst? Vielen Geschäftsleuten ist in Reininghaus das Kundenpotenzial – noch – zu klein, andererseits ziehen Menschen ungern in einen Stadtteil, in dem es ein geringes Geschäftsangebot gibt.“ So führt der Weg der Pensionistin und Jungfamilie vorerst weiter an leeren Schaufenstern vorbei.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.