Klassik

Die Gäste aus Prag, bei Dvořák ganz in ihrem Element

Die Tschechische Philharmonie und ihr Chefdirigent machten im Rahmen ihrer Europatournee Station im Wiener Konzerthaus.
Die Tschechische Philharmonie und ihr Chefdirigent machten im Rahmen ihrer Europatournee Station im Wiener Konzerthaus.Rupert Steiner
  • Drucken

Im Konzerthaus genügt der Tschechischen Philharmonie ein Tropfen Schwermut, und Dvořák erblüht.

Was regt sich da über dem sanft pulsierenden Orgelpunkt? Zartdunkle Bratschen und Fagotte kreisen, die Holzbläser steuern Vogelstimmen bei – und die Lichtstrahlen der Geigen rufen eine Klarinettenmelodie auf den Plan, halb friedlich, halb keck: In immer neuen Abwandlungen wird sie das Geschehen bestimmen mit ihrer pastoralen Kuckucksrufmelodik.

Ja, so lyrisch klingt der Beginn von Antonín Dvořáks Konzertouvertüre „In der Natur“. Bei der Tschechischen Philharmonie unter Semyon Bychkov freilich spürt man dabei rasch, dass Pflanzentriebe die Kraft besitzen, Betondecken zu durchstoßen. Und dass das Leben, wenn es sich seiner selbst bewusst wird, auch unweigerlich Melancholie kennenlernt.

Philharmonie auf Europatournee

Die Tschechische Philharmonie und ihr Chefdirigent sind auf Europatournee. Mit zwei reinen Dvořák-Programmen gastierten sie dabei im Wiener Konzerthaus. Bychkov und die Tschechen, das ist eine Partnerschaft des genießerisch freien Auskostens, der klanglichen wie emotionalen Sättigung sowie nicht zuletzt auch der liebevoll sonor modellierten Mittelstimmen.

Am ersten Abend glänzte zudem Augustin Hadelich in Dvořáks Violinkonzert: ein exzellenter Sänger auf seinem Instrument, dabei ständig im feinfühligen Austausch mit Bychkov und den zahlreichen orchestralen Soli. Eleganz, Schwung und souveräne Spielfreude regierten die gemeinsame Lesart, die Bychkov mit einem schönen Tropfen Schwermut würzte.

Bychkov entlarvt Missverständnisse

In diesem Klanggewand trat dann auch Dvořáks Achte auf. Der haftet ja das Urteil an, sie sei ein symphonisches Leichtgewicht von rhapsodisch-gefälliger Machart, entstanden zwischen der dramatischen Düsternis der Siebenten und der pittoresk-populären Neunten aus der „Neuen Welt“. Bychkov entlarvt das als Missverständnis. Nicht, dass die Momente mitreißender Musizierlust und tänzerischen Überschwangs bei ihm verschwinden würden, aber: Man musste an Johannes Brahms’ ironischen Kommentar zu seiner Zweiten denken, deren Partitur vor lauter Melancholie „mit Trauerrand erscheinen“ müsse.

Ganz in diesem Sinne wurde Dvořáks Achte zu einem Kaleidoskop aller menschlicher Empfindungen, auch seelischer Abgründe. Hadelich dankte für den Jubel mit einem Gardel-Tango in eigener virtuoser Bearbeitung; das Orchester tanzte als Zugabe nicht nach Noten Dvořáks auf slawische, sondern auf ungarische Art à la Brahms.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.