Musikverein

Bei dieser Pianistin leuchten alle Farben der Romantik

Anna Vinnitskaya weckte im Brahmssaal vor allem als Skrjabin-Interpretin das lebhafteste Interesse.

Erstaunlich, wie wenig der Klavier-Zyklus im Musikverein angenommen wird. Möchte man Pianisten lieber im Großen Saal als im für Kammermusik und Lied besser geeigneten Brahms-Saal hören? Jedenfalls musste die gefeierte Anna Vinnitskaya vor halbleerem Saal ihr klug zusammengestelltes Programm abwickeln. Es gipfelte in einem pointierten zeitgenössischen Zyklus, den „Zirkustänzen“ von Jörg Widmann: elf im Wesentlichen auf der Idee von Walzern unterschiedlicher Herkunft beruhenden „Seiltänzen“, bei denen man leicht Gefahr läuft abzustürzen. Widmann versteht diesen Zyklus als Plädoyer, sich möglichst lang kindliche Unbekümmertheit zu bewahren. Diesen Aspekt machte die Vinnitskaya mit ihrer temperamentvoll-nachdenklichen Darstellung besonders deutlich.

Ebenso überzeugte sie mit Skrjabin, der den ersten Programmteil dominierte: die hörbar von Chopin beeinflussten frühen Walzer op. 1, die mehr strukturell als melodisch für sich einnehmende h-Moll-Fantasie und „Deux Poèmes“ voll Poesie und ungezähmter Leidenschaft. Was sie aus diesen Stücken an Klangfarben und Atmosphäre herausholte, übertraf Vinnitskaya noch mit ihrer Deutung der Fünften Klaviersonate. Faszinierend schon die Leichtigkeit, mit der sie den zuweilen haarsträubenden technischen Schwierigkeiten trotzte, und mehr noch die Natürlichkeit, mit der sie die unterschiedlichen Themen und Motive zu einer aufregenden Erzählung zusammenführte. Da bekam man Gusto auf einen reinen Skrjabin-Abend mit der seit Jahren in Hamburg lebenden russischen Virtuosin. Dann aber im Goldenen Saal! 

Eröffnet wurde der Abend mit einer schwelgerischen Darstellung von César Francks original für Orgel konzipierten „Prélude, Fugue et Variation“ im Klavierarrangement Theo Wegmanns. Schumanns „Carnaval“ versuchte sie mit eigenwilligen Akzenten und unorthodoxen Tempi beizukommen. Die vielen Momente von höchster Brillanz fügten sich aber zu keinem Bogen.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.