Filmfestival

Diagonale eröffnet mit Ruth Beckermanns „Favoriten“

„Favoriten“ von Ruth Beckermann, das Doku-Porträt einer Wiener Schulklasse, wurde auf der Berlinale uraufgeführt.
„Favoriten“ von Ruth Beckermann, das Doku-Porträt einer Wiener Schulklasse, wurde auf der Berlinale uraufgeführt.Ruth Beckermann Filmproduktion
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195 Titel zeigt das Festival des österreichischen Films in Graz, das heuer vom 4. bis 9. April stattfindet. Zum ersten Mal wurde es vom Intendantenduo Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar kuratiert.

Die Diagonale eröffnet heuer wieder einmal mit einem Dokumentarfilm. Und es ist ein besonders gelungener: Ruth Beckermanns „Favoriten“ ist die Langzeitbeobachtung einer Volksschulklasse im zehnten Wiener Gemeindebezirk, die sich vornehmlich aus Kindern mit migrantischem Hintergrund zusammensetzt. Beckermann, bekannt für Filme wie „Waldheims Walzer“ und „Die Geträumten“, setzt den Alltag der Schülerinnen und Schülern und ihrer immens engagierten Lehrerin auf ansteckend aufgekratzte Weise ins Bild. Gleichzeitig handelt „Favoriten“ vom Wert öffentlicher Institutionen, zeigt die harte zwischenmenschliche Arbeit, die nachhaltiger Integration und politischer Bewusstseinsbildung zugrunde liegt – sowie den permanenten Einsatz, den friedliches soziales Miteinander erfordert. Der Film wurde im Februar bei der Berlinale uraufgeführt.

Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar, das neue Indendantenduo der Diagonale, wird bei seiner ersten Festivalausgabe – die heuer vom 4. bis 9. April stattfindet – 195 Filmproduktionen auf die Grazer Kinoleinwände bringen, darunter auch 84 Österreich- oder Weltpremieren. Neu sind 2024 unter anderem die Veranstaltungsreihe „Forum“ im Volkskundemuseum sowie die Festivalschienen „Position“ und „Filmgeschichte“.

Die neuen Intendanz hat den Starttag von Dienstag auf Donnerstag verlegt, um so das „Geschehen noch stärker auf ein dicht programmiertes Wochenende“ auszurichten. „Festivals sind heute notwendiger denn je. In einer Ära des Überangebots an ,Content‘ dienen sie nicht nur als Lotse durch das qualitative Kino- und Festivalangebot eines Jahrgangs, sie liefern auch Gelegenheiten, aus der ,Bubble‘ der Vorlieben auszubrechen“, so die beiden in ihren Presseunterlagen. Am Mittwoch bei der Programmpräsentation in Graz sprachen sie auch weitere Neuerungen an, denn „mit jeder Intendanz gibt es Veränderungen“.

Das neue „Forum“ wird im Heimatsaal des Volkskundemuseums angesiedelt sein und hat zum Ziel, ein „Debattenzentrum zu schaffen und Raum für Preisverleihungen und andere Veranstaltungen zu geben“, sagte Kamalzadeh. So sind Diskussionen und Debatten geplant – unter anderem geht es heuer um mentale Gesundheit, Künstliche Intelligenz sowie Diversität und Antirassismus in der Filmbranche. Festivalcafé werde das benachbarte Gatto im Museum sein.

Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar.
Dominik Kamalzadeh und Claudia Slanar.Diagonale

Insgesamt will die Doppelspitze die Diagonale noch mehr in einen internationalen Kontext setzen. Das zeige sich beispielsweise mit der Werkschau zu Christoph Hochhäusler, einem deutschen Regisseur, dessen Filme Genre und politische Brisanz verknüpfen würden. „Er verbindet Intellekt und Gefühl“ in seinen Filmen, schwärmte Kamalzadeh bei der Programmpräsentation. (Hochhäuslers letzter Film, der Thriller „Bis ans Ende der Nacht“, machte im Übrigen die Welserin Thea Ehre einem breiteren Publikum bekannt: Sie wurde für ihre Hauptrolle darin bei der Berlinale mit einem Schauspielpreis ausgezeichnet.) Eine weitere Position – so der neue Name der früheren „Personale“ – befasst sich mit der heimischen Avantgardefilmemacherin und Fotografin Lisl Ponger.

Ehemaliges Jugoslawien und Türkei im Fokus

Im filmhistorischen Programm „Die erste Schicht“ widmet sich das Festival heuer Filmen aus dem ehemaligen Jugoslawien und der Türkei, die in den 1960er- und 1970er-Jahren den Strom der sogenannten Gastarbeiter und Gastarbeiterinnen begleitet haben. Dazu passend wird auch eine weitere Neuerung erscheinen, nämlich die „Diagonale Edition“, ein Textband zur Vertiefung eines Themas, in diesem Fall die Arbeitsmigration. Hinzu kommen in der Schiene Filmgeschichte auch drei Fassungen von „Mädchen in Uniform“, die an drei aufeinanderfolgenden Tagen bei der Diagonale zu sehen sein werden.

Lisl Ponger - An Exercise in Illusion.
Lisl Ponger - An Exercise in Illusion.Diagonale

123 Filme im Wettbewerb der Diagonale

Das Herzstück der Diagonale bleibt aber der Wettbewerb, und so werden heuer mit zusammen rund 111.500 Euro die höchstdotierten Filmpreise Österreichs von einer internationalen Jury gekürt. 123 Filme sind diesmal im Rennen um selbige vertreten, wobei die Bandbreite von arrivierten Filmemacherinnen und -machern bis hin zu Neuentdeckungen reiche. Präsentiert werden wie jedes Jahr Spiel-, Dokumentar- und Kurzfilme wie auch innovative Filme. Bei der Eröffnung am 4. April wird auch noch der Große Diagonale-Schauspielpreis an Lukas Miko verliehen. Besonders hervorheben wollten die Intendanten zwei Österreichpremieren: die Spielfilme „Mit einem Tiger schlafen“ von Anja Salomonowitz sowie „Veni Vidi Vici“von Daniel Hoesl und Julia Niemann.

Abseits der Kinos bietet die Diagonale diesmal unter anderem auch eine Ausstellung des Künstlerkollektivs OchoReSotto namens „Unframed“, in Kooperation mit der Kunsthalle Graz. Ebenfalls neu ist ein eigener Podcast, in dem es diesmal um das Sprechen über Filme und Filmkritik gehen wird. Der „Diagonale Dialog“ nennt sich nun „Nachspann“, und dafür werden heuer nach fünf Filmvorführungen die Säle noch länger für Gespräche geöffnet bleiben. Highlight werde dabei laut Kamalzadeh das Spezialscreening mit der „verschollenen“ Pilotfolge zur TV-Sitcom „LKH“ des 2014 verstorbenen Regisseurs Michael Glawogger sein. An dem Erinnerungsabend werden auch Pia Hierzegger, Helmut Köpping und Michael Ostrowski teilnehmen.

Der Festivaltrailer 2024 heißt „Unter dem Image“ und wurde von Eva Egermann und Cordula Thym gestaltet. Die beiden eröffnen auch am 5. April ihre Diagonale-Ausstellung „C-TV: Close Encounters of the Hamster Kind“ im Kunsthaus Graz, kündigte Slanar an. (APA/red)

>> www.diagonale.at

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