Gastkommentar

Wem nützt ein Waffenverbot in Österreich?

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Den Vorstoß von Innenminister Karner für ein Waffenverbot im öffentlichen Raum kann man als nichts anderes als populistische Anlassgesetzgebung bezeichnen.

Wenn man von der Mariahilfer Straße in Wien die Neubaugasse entlangflaniert und nach einiger Zeit in die Siebensterngasse abbiegt, steht man irgendwann vor einem Wiener Traditionsunternehmen, das seit 1835, also seit bald 190 Jahren, in Familienbesitz ist. Bei Lorenzi – feinste Stahlwahren & Schleiferei findet man jegliches Schneidwerkzeug, das man im Alltag braucht. Vom Maniküreset zum japanischen Küchenmesser, von der schwedischen Holzaxt zum Schaustellerschwert und vom Schweizer Taschenmesser zum Kampfmesser für Soldaten.

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Als regelmäßiger Kunde sieht man dort den Querschnitt der Gesellschaft ein- und ausgehen. Kinder, die ihr erstes Opinel mit abgerundeter Spitze bekommen, Schneiderinnen, die ihre Scheren schärfen lassen, Jäger, die sich mit klassischen Messern eindecken, und Outdoorbegeisterte, die für ihre nächste Tour vorbereitet sein wollen. Ein nicht zu unterschätzendes Element sind auch Sammler, die Freude an den technischen Raffinessen haben, die sich Designer in puncto Klingenform, Bauweise und Öffnungsmechanismus einfallen lassen. Denn wie bei anderen Alltagsgegenständen macht auch bei Messern die Innovation nicht halt, und es gibt jedes Jahr Neuerungen bei Materialien und in der Umsetzung.

Handel direkt betroffen

Warum dieses stereotyp wirkende Intro zu einem Zeitpunkt, der vor Negativschlagzeilen nur so strotzt? Dieser Querschnitt der Gesellschaft, mitsamt über 200 Firmen in Österreich, die Messer und Stahlwaren produzieren oder verkaufen, ist potenziell von einem Gesetzesvorstoß Innenminister Gerhard Karners direkt oder indirekt betroffen. Ein Vorstoß, den man aufgrund des Kontextes als nichts anderes als populistische Anlassgesetzgebung bezeichnen kann.

Die Ankündigung des Innenministers, ein generelles Waffenverbot im öffentlichen Raum durchsetzen zu wollen, mit einem Fokus auf Messer, mag auf den ersten Blick als vernünftig und wünschenswert gelten. Aufgrund unserer Sozialisierung durch Film und Fernsehen, der medialen Berichterstattung und auch des Luxus der im internationalen Vergleich guten Sicherheitslage in Österreich überrascht es nicht, dass Teile der Bevölkerung Waffen und Messern kritisch gegenüberstehen – mit Betonung auf „Teile“.

Denn in der aktuellen Debatte wird ausgeblendet, dass Messer in all ihren Variationen ein fester Bestandteil im Leben vieler Menschen in Österreich sind. Selbige werden nun aufgrund des noch auszuarbeitenden Gesetzesvorschlags unter Generalverdacht gestellt werden. Michael Simoner brachte es im „Standard“ kürzlich auf den Punkt: „(…) die Frage ist, ob wir in einem Land leben möchten, in dem wir ständig nachweisen müssen, dass wir nichts Böses im Schilde führen.“

Machen wir einen Schritt zurück. Warum wird über ein Waffen- bzw. Messerverbot diskutiert bzw. warum wird es uns gesetzestreuen Bürgern und Bürgerinnen (Messer sind tatsächlich keine Männerdomäne) auferlegt?

Die jüngste Serie an gewaltsamen Femiziden, Morden und Gewalttaten im Alltag, teils durch unmündige, teils durch mündige Minderjährige ausgeführt, setzt die österreichische Politik unter massiven Druck, etwas Konkretes zu unternehmen. Vor allem die vergangenen Wochen und Monate haben den Eindruck vermittelt, als ob die Gewalt in Österreich eskaliert. Aber anstatt nachhaltige Maßnahmen in der Sozial-, Bildungs-, Integrations- und Sicherheitspolitik zu setzen, sind politische Entscheidungsträger und -innen mit parteipolitischen Grabenkämpfen und dem Vorwahlkampf beschäftigt.

Mitten im Vorwahlkampf

Man geht den medienwirksamen Weg einer Gesetzesverschärfung, anstatt strukturelle und soziale Probleme zu lösen. Aber ein Blick auf die geltende Gesetzeslage zeigt, dass es für die Exekutive und Legislative bereits genügend Möglichkeiten gäbe, für Sicherheit zu sorgen – sie werden nur nicht durchgesetzt. Ob aus Mangel an Personal, ideologischen Befindlichkeiten, oder – wie man am Beispiel des Innenministeriums sehen kann – weil man immer noch mit der Aufarbeitung der BVT-Affäre und der Neuorganisation der Direktion Staatsschutz und Nachrichtendienst (DSN) beschäftigt ist.

Österreich verfügt über ein strenges Waffengesetz. Schusswaffen sind streng reglementiert und unterliegen schärfsten Kontrollen. Jene Messer, die Innenminister Karner verbieten will, sind schon jetzt erst ab 18 Jahren erhältlich. Zudem gilt seit Jahren ein Waffenverbot für Drittstaatsangehörige ohne Daueraufenthaltstitel (WaffG §11a). Weiters zeigen nationale und internationale Beispiele, dass Verschärfungen oft nicht den erhofften Effekt erzielen. Das mit 1. Jänner 2019 verschärfte Waffengesetz konnte den Terroranschlag vom 2. November 2020 nicht verhindern.

Die Anlassgesetzgebung von 1996, die Vorderschaftrepetierflinten (sogenannte Pumpguns) verbot, führte dazu, dass lediglich 2000 Stück registriert wurden, obwohl ca. 40.000 Stück im Vorfeld verkauft worden waren. In Bezug auf Messer hat die Gesetzgebung sowohl in Deutschland (was ja als Beispiel genannt wird) als auch in Großbritannien keine messbaren Erfolge erzielen können. Tatsächlich hat in Deutschland die unscharfe Umsetzung vielmehr zu Absurditäten geführt. Beispielsweise, dass manche Messertypen als illegal gelten, während andere im Alltag erlaubt sind, obwohl beide letzten Endes gleichsam missbraucht werden können. Die Stadt London, die seit Langem mit großer Gewalt kämpft, musste feststellen, dass Gewalttäter und -innen einfach auf andere Mittel umschwenken (Schraubenzieher und Batteriesäure inklusive). Diese Anpassungsfähigkeit an gesetzliche Rahmenbedingungen sieht man auch in den jüngsten Vorfällen mit Jugendbanden in Wien, die ihre Opfer mit Ledergürteln attackieren.

Warum Rechte beschneiden?

Es stellt sich somit die Frage, warum gesetzestreue Bürger und Bürgerinnen in ihren Rechten beschnitten werden sollen. Und warum der Handel für die versäumte Politik der vergangenen 20 Jahre den Kopf hinhalten muss. Politisch gesehen wird die Regelung eher der FPÖ nutzen, da sich nun eine neue Zielgruppe für die Partei erschließen und ein weiterer Rechtsruck erfolgen wird. Innenminister Karner wäre vielmehr geraten, dass er den Polizeidienst attraktiviert, dafür sorgt, dass innerhalb seines Ressorts den Polizistinnen und Polizisten mehr Wertschätzung entgegengebracht wird und vorhandene Gesetze endlich durchgesetzt werden. Denn eines muss logisch denkenden Menschen klar sein: Warum gelten Verbrecher als Verbrecher? Weil sie sich nicht an das herrschende Gesetz halten.

Die hier geäußerte Meinung des Autors entspricht nicht notwendigerweise der seiner Arbeitgeber oder mit ihm assoziierten Institutionen.

Der Autor

Dr. phil. David Christopher Jaklin (*1983) ist Historiker und sicherheitspolitischer Analyst. Er widmet sich Themenbereichen der hybriden Bedrohungen/Kriegsführung. Er forscht als Affiliated Researcher am Austrian Center for Intelligence, Propaganda and Security Studies (Graz).

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