Gesundheitswissenschaft

Fachkräfte lernen eine gemeinsame Sprache

In Reha-Zentren wandern die Patientinnen und Patienten von einer Fachkraft zur nächsten. Besser wären interdisziplinäre Teams, die gemeinsam mit den Betroffenen Entscheidungen treffen.
In Reha-Zentren wandern die Patientinnen und Patienten von einer Fachkraft zur nächsten. Besser wären interdisziplinäre Teams, die gemeinsam mit den Betroffenen Entscheidungen treffen.Imago / Andreypopov
  • Drucken

Hochschulen und Rehazentren aus vier EU-Ländern erarbeiteten Modelle für die Zusammenarbeit von Gesundheitsberufen. Aus Österreich waren die FH St. Pölten und das Moorbad Harbach dabei.

Eine Patientin mit Gelenkschmerzen wird in einem Rehazentrum aufgenommen. Sie bekommt einen Termin zum ärztlichen Erstgespräch, danach steht ein pflegerisches Aufnahmegespräch auf dem Plan, später vielleicht eine Erstbegutachtung in der Physiotherapie-Abteilung und danach ein Besuch bei der Diätologie. Wer in Österreich auf Reha war, hat ein ähnliches Procedere schon durchlaufen. Anders im Krankenhaus. Hier treten etwa bei mehrfachen und komplexen Erkrankungen Teams auf den Plan, die gemeinsam mit den Betroffenen Entscheidungen treffen.

Im Rehazentrum ist eine personenzentrierte Vorgangsweise noch wenig üblich. Das mag zum einen daran liegen, dass das Leistungsprofil Fachkräfte nur zur Einzelarbeit im Patientenkontakt vorsieht, zum anderen hat eine Teilnahme von Patienten und Patientinnen im interprofessionellen Arbeiten noch wenig Tradition. An der Fachhochschule (FH) St. Pölten wurden in einem Erasmus-Projekt Modelle entwickelt, um dieses schon in der Ausbildung zu üben.

Studierende üben Kritik

Entwickelt wurde eine Online-Lehrveranstaltung, in der sich Studierende verschiedener Disziplinen kennenlernen. „Dann treffen sie in einer simulierten Situation als Kleingruppe auf einen Patienten oder eine Patientin. Sie überlegen, wie man der Person helfen und sich mit ihr auf ein Ziel einigen kann“, sagt die Gesundheitswissenschaftlerin Anita Kidritsch, Koordinatorin des Projekts an der FH St. Pölten. Um von den Systemen anderer Staaten zu lernen, haben sich Hochschulen sowie Rehazentren aus Belgien, Finnland, den Niederlanden und Österreich zusammengetan. Die Lehrveranstaltung ist eines der Beispiele, bei denen die österreichischen Partner – neben der FH auch das Moorbad Harbach (NÖ) – Ideengeber waren.

»In Finnland treffen sich Studierende verschiedener Disziplinen einmal pro Woche, ebenso wie mit ihren Praktikumsanleitern und Lehrpersonen, um Fälle zu besprechen.«

Anita Kidritsch

Gesundheitswissenschaftlerin, FH St. Pölten

Ein interessantes Modell für eine stationäre Rehabilitation präsentierten die Niederländer. Die Patienten teilen sich mit den Fachkräften einen Raum, interprofessionelle Studierendenteams übernehmen das Management und üben konstruktive Kritik. In angepasster Form seien so manche Entwicklungen, die in der dreijährigen Projektzeit erarbeitet wurden, auch in Österreich vorstellbar, sagt Kidritsch. Mit geringem Aufwand umsetzbar könnte etwa ein interprofessionelles Konzept für Praktika sein. „In Finnland treffen sich Studierende verschiedener Disziplinen einmal pro Woche, ebenso wie mit ihren Praktikumsanleitern und Lehrpersonen, um Fälle zu besprechen.“ Auch in St. Pölten wurde ein ähnliches Modell inzwischen versuchsweise mit Gesundheits-Studierenden umgesetzt.

Training für WHO-Codes

Wertvoll für alle Projektpartner war auch eine finnische Initiative, um die sogenannte ICF-Sprache – die von der WHO vorgegebene internationale Klassifikation von Funktionsfähigkeit, Behinderung und Gesundheit – auf den Boden der Praxis zu bringen. „Wir können jetzt selbst Kurse dafür anbieten“, freut sich Kidritsch. Es sei wichtig, dass alle Beteiligten dieselben Begriffe und Codes benützten, auch um Leistungsbedarf ganzheitlich zu betrachten und die Dokumentation einheitlich zu strukturieren.

Alle entwickelten Module und Instrumente finden sich auf der Projektwebsite (inproproject.eu).

Lexikon

Personenzentriert zu arbeiten – ein psychologischer Ansatz, der in der Beratung, der Behindertenarbeit oder auch der Psychotherapie Anwendung findet – bedeutet, in jedem Menschen eine eigenständige Persönlichkeit zu sehen und Probleme nicht für ihn, sondern mit ihm gemeinsam zu lösen. 

Bei Patientenzentriertheit orientiert man sich in der medizinischen Versorgung primär an den Bedürfnissen von Patientinnen und Patienten. Im Gesundheitswesen wird der Terminus zunehmend durch jenen der „Personenzentriertheit“ abgelöst. 

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.