Mobilität

E-Autos: Wer klüger heizt und kühlt, fährt weitere Strecken

Es braucht weniger Strom, wenn man clever die Temperaturen managet.  Am optimierten Heiz- und Kühlsystem wird geforscht.
Es braucht weniger Strom, wenn man clever die Temperaturen managet.  Am optimierten Heiz- und Kühlsystem wird geforscht.Imago / Cavan Images
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Wie Infrarot-Technologie und künstliche Intelligenz dazu beitragen können, die Reichweite von E-Autos zu verbessern, und gleichzeitig den Fahrkomfort zu erhöhen, will ein Forschungsteam unter österreichischer Führung zeigen. Herzstück ist ein optimiertes Heiz- und Kühlsystem.

Die Reichweite gilt immer noch als einer der wesentlichen Gründe, warum die E-Mobilität nicht so recht die Kurve kriegt. Ein internationales Forschungsteam unter österreichischer Leitung will nun gegensteuern. Es arbeitet an innovativen Methoden, um die Fahrleistung unter bestimmten Bedingungen zu erhöhen. „Wir streben ein Reichweitenplus von zumindest 20 Prozent bei null Grad Celsius an“, gibt Projektleiter Thomas Bäuml vom Austrian Institute of Technology (AIT) die Richtung vor. Möglich machen soll das ein hocheffizientes Temperaturmanagement, das die herkömmliche Heizung bzw. Klimaanlage ablösen soll.

Infrarot macht’s gemütlich

„Bei null Grad Celsius nimmt die Reichweite eines Elektrofahrzeugs selbst bei neueren Modellen um bis zu 40 Prozent ab“, weiß Bäuml. „Während nämlich Pkw mit Verbrennungsantrieb die Abwärme des Motors zum Betrieb der Heizung nutzen, bezieht die Wärmeregelung bei E-Autos ihre Energie vom Akku und mindert damit die Fahrleistung.“ Um diesen Verlust zu reduzieren, setzen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler zum einen auf Infrarot-Paneele, die anstelle der üblichen PTC-Technologie Behaglichkeit im Fahrgastraum verbreiten sollen. „Eine Infrarot-Heizung benötigt zwar ebenfalls Strom aus der Batterie, aber weit weniger“, erklärt der Forscher. „Das liegt vor allem daran, dass sich der menschliche Körper, wenn er dieser Art der Strahlungswärme ausgesetzt ist, schon bei vergleichsweise niedriger Temperatur wohlfühlt. Der aufzubringende Wärmebedarf ist daher geringer. Die Heizung muss nicht so weit aufgedreht werden und verbraucht somit weniger Energie.“

Durch Ansteuerung ausgewählter Paneele lasse sich ein Infrarot-System darüber hinaus so lenken, dass gezielt nur bestimmte Bereiche des Fahrzeuginneren beheizt werden. „Das ist insbesondere bei Bussen von Vorteil, wenn nicht alle Sitze belegt sind“, sagt Bäuml. Im EU-Projekt „Minded“ konzentriere man sich daher beispielhaft auf die Optimierung des Temperaturmanagements eines 22-Sitzers. „Wir tüfteln unter anderem an der idealen Anbringung der Paneele. Wir wollen Infrarot-Systeme, die es für hochpreisige Elektro-Pkw bereits gibt, erschwinglicher machen und sie vom Design her so gestalten, dass sie sich nahtlos in die Verkleidung des Fahrzeuges integrieren lassen.“

Nutzung des Akku-Stroms im Sommer

Das AIT-Team mit seinen zehn Projektpartnern aus fünf europäischen Ländern will aber auch einen Gang zulegen, wenn es um eine effiziente Nutzung des Akku-Stroms im Sommer geht. Brennt die Sonne vom Himmel, soll eine optimierte Klimaanlage mit Wärmepumpenmodus, basierend auf einem neuartigen, ölfreien und leistungsstarken Kältemittel-Kompressor, dafür sorgen, dass es die Fahrgäste angenehm kühl haben, ohne dass die Batterie zu viel Strom dafür hergeben muss.

Damit das System wirklich optimal funktioniert, bedarf es letztlich einer geeigneten Betriebsstrategie. Um eine solche zu entwickeln, setzen die Forscherinnen und Forscher auf Hightech: Unter anderem soll es künstliche Intelligenz (KI) ermöglichen, das Fahrverhalten der Lenkerin oder des Lenkers vorherzusagen. Eine innovative Mensch-Maschine-Schnittstelle erlaubt es den Personen im Bus, individuelle Zieltemperaturen festzulegen und Rückmeldungen über das eigene Wohlbefinden zu geben. Das Zusammenspiel all dieser Komponenten wird schließlich in Simulationen getestet und bewertet. Dabei kommen digitale Zwillinge des gesamten Fahrzeugs einschließlich des Antriebsstrangs, des Heiz- und Kühlsystems sowie der KI-basierten Vorhersagen zum Einsatz.

Den E-Anteil über drei Prozent pushen

„Den gesamten Reichweitenverlust werden wir nicht abfangen können, denn auch das von uns zu entwickelnde System braucht Strom“, fasst Bäuml zusammen. „Ein optimiertes Temperaturmanagement, gemeinsam mit einer verbesserten Dämmung des Fahrzeuginnenraums, an der wir ebenfalls arbeiten, sollte die Reichweite aber um rund 20 Prozent erhöhen.“ Dies wäre ein wichtiger Beitrag, um umweltverträgliche Mobilität zu fördern. Derzeit sind in Österreich rund 160.000 rein elektrisch betriebene Pkw unterwegs, das sind rund drei Prozent des gesamten Bestandes.

In Zahlen

6145 rein elektrisch betriebene Pkw wurden im Jänner und Februar 2024 in Österreich zugelassen. Das sind fast so viele wie im gesamten Jahr davor und mehr als doppelt so viele wie im Jahr 2020.

682 Elektrobusse im öffentlichen Verkehr in Österreich – das ist das Ziel des Klimaschutzministeriums für das Jahr 2026. Derzeit steht man bei knapp der Hälfte. In mehreren Städten sind Testbusse im Einsatz. Wien will bis nächstes Jahr neun Linien komplett auf „Stromer“ umstellen.

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