Radikalisierung

Starke Demokratien: Europa war nach 1918 ein Laboratorium

Aufruf zu wehrhafter Demokratie. Poster aus Amsterdam um 1930. 
Aufruf zu wehrhafter Demokratie. Poster aus Amsterdam um 1930. Roger Viollet/Getty Images
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Demokratie im Rückzugsgefecht. Wie können wir sie behaupten? Vor rund 100 Jahren haben einige Staaten in Europa trotz schwerer Krisen an ihr festgehalten. 

Genf in den 1920er-Jahren. Bei einem „Kongress entthronter Monarchen“ kam es zu flammenden Appellen an die ehemaligen Untertanen, doch wieder zur alten Ordnung zurückzukehren. Nur die Monarchien könnten die europäische Kultur retten. Doch niemand wollte etwas davon wissen, und so kam es auf einer kleinen Insel im Indischen Ozean zu einem Reich der abgesetzten Staatsoberhäupter, das freilich vom Rest der Welt ignoriert wurde.

Das ist natürlich fiktiv, stammt aus der Erzählung „Könige im Exil“ des polnischen Autors Aleksander Wat von 1927. Real war: Kaiser und Herzöge, Zaren, Sultane und Paschas – sie waren mit dem Zusammenbruch der großen autokratischen Reiche am Ende des Ersten Weltkriegs entmachtet. Davor hatte es in Europa nur drei Republiken gegeben, 1918 waren es dreizehn. Überall auf dem Kontinent hatten sich parlamentarische Demokratien und liberale Verfassungen durchgesetzt, von der Ostsee bis zum Balkan. Die Halb- oder Dreivierteldemokratien der Vorkriegszeit, wie sie der britische Historiker Adam Tooze nennt, wandelten sich in parlamentarische Ordnungen auf der Basis des allgemeinen Wahlrechts, teilweise auch für Frauen. „Eine Verfassung ist so etwas Wundervolles, dass jeder ein Esel ist, der das nicht weiß“, so ein Bewohner des osmanischen Saloniki bereits 1908.

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