Oper

Anna Netrebko nimmt Rache: „La Gioconda“ bei den Salzburger Osterfestspielen

Ein unvorhergesehener Mord: Anna Netrebko als Straßensängerin Gioconda, Luca Salsi als ihr Peiniger Barnaba.
Ein unvorhergesehener Mord: Anna Netrebko als Straßensängerin Gioconda, Luca Salsi als ihr Peiniger Barnaba.Bernd Uhlig
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Jubel und Buhs für „La Gioconda“ in Salzburg mit Anna Netrebko in der Titelrolle: Dirigent Antonio Pappano sorgt für Opernglut – doch es bleibt unüberhörbar, wie schwer Ponchiellis romantischer Reißer heutzutage zu besetzen ist.

In zwei der eindringlichsten Szenen schweigen die Stimmen. Und: Ja, das ist kein wirklich gutes Zeichen. Die erste dieser Szenen erleben wir gleich zu Beginn. Da müssen elegische Celloklänge bald einer dramatischen Aufwallung weichen, die unterbrochen wird von flehenden Holzbläsern – und jener harfenumflort seligen Melodie, die sich durch die Partitur zieht und eine bessere Zukunft verheißt, und sei sie erst im Jenseits zu erreichen. In diesen Minuten, die Dirigent Antonio Pappano mit dem Orchestra dell’Accademia Nazionale di Santa Cecilia bereits mit der nötigen romantischen Emphase verwirklicht, schickt eine Mutter ihre Tochter, ein halbes Kind noch, auf den Strich.

Das also, verrät uns Regisseur Oliver Mears, war die alles andere als heitere Jugend der Gioconda. Die zweite dieser besonderen Szenen folgt im dritten Akt, im „Tanz der Stunden“, dessen Melodien in Film und TV, Werbung und Pop immer wieder verwendet werden (zuletzt etwa vom Rapper Crack Ignaz). Nun erfahren wir noch mehr von der Vorgeschichte, diesmal von Lucy Burge in ein Handlungsballett verwandelt: Eine glückliche kleine Elevin tanzt mit ihren Eltern durch eine heile Welt, doch dann stirbt der Vater – und alles nimmt den schon bekannten, grässlichen Verlauf, diesmal gleichsam ironisch zugespitzt mit Pirouetten im Tutu.

Am Höhepunkt dieser Einlage beim Fest des Alvise rammt dann Anna Netrebko als Gioconda dem Hausherrn überraschend einen Dolch in den Bauch – und spontane Buhs durchzucken das Große Festspielhaus, weil dieser Mord nicht im Libretto steht. Auch am Ende tötet sie nicht sich selbst, sondern ihren Peiniger Barnaba, der sie schon als Kind missbraucht hat oder in dem sie nur diesen Typ Mann wiedererkennt und deshalb im Namen aller Frauen Rache nimmt. Gioconda als doppelte Tosca, als eine starke Frau, die männliche Gewalt umkehrt: Das passt immerhin besser zum Venedig der Gegenwart, das Philipp Fürhofer auf seiner akustisch immer wieder ungünstigen Bühne zeigt, als die Übersetzung der Inquisition ins Mafia-Ambiente.

Unausgeglichene Besetzung: Die einen hätte man lieber gestern schon gehört, die anderen erst morgen

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