Vorwürfen gegen TV-Sender

Missbrauch am Nickelodeon-Set: Eine Doku beleuchtet die dunklen Seiten des Kinderfernsehens

Erstmals hat Drake Bell (links) über die Vorkommnisse am Nickelodeon-Set gesprochen.
Erstmals hat Drake Bell (links) über die Vorkommnisse am Nickelodeon-Set gesprochen.Mary Evans/Allstar/Graham Whitby Boot via Imago
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Frühere Nickelodeon-Stars und -Mitarbeiter erzählen in der mehrteiligen Doku „Quiet on Set: The Dark Side of Kids TV“ von erschütternden Erfahrungen. Über die Vorwürfe und die Reaktion der Beschuldigten.

Unterhaltung, Spaß, Action: Das ist Nickelodeon. Ein US-amerikanischer Kindersender, der auch im deutschsprachigen Raum recht populär ist, durch Erfolgsserien der Neunziger- und Nullerjahre wie „Zoey 101“, „iCarly“, „Drake & Josh“. Eine kürzlich in den USA veröffentlichte Dokumentation, „Quiet on Set: The Dark Side of Kids TV“, widmet sich dem toten Winkel innerhalb dieser quietschbunten Welt, dem Bereich hinter der Kamera. Thematisiert wird grobes Fehlverhalten der Senderverantwortlichen, mutmaßlicher Missbrauch und Diskriminierung. Dabei scheint nicht alleine das Benehmen einzelner maßgeblich, sondern das große Ganze: ein Umfeld, das ein solches erst ermöglicht und toleriert.

Einige der damaligen Kinderstars dürften der Doku zufolge in einem ziemlich toxischen Umfeld groß geworden sein. Eine Handvoll davon spricht im Rahmen der vierteiligen Miniserie nun erstmals über die – teils mutmaßlichen – Vorkommnisse, darunter Drake Bell aus „Drake & Josh“. In jenem konkreten Fall kam es im Jahr 2003 bereits zu einer Verurteilung eines Dialogtrainers vom Sender wegen sexuellen Missbrauchs.

Missbrauch, Nacktfotos, Massagen

Er habe am Set zunächst die Freundschaft zu dem Teenager gesucht, ihn später gegen den eigenen Vater aufgehusst und parallel das Vertrauen der Mutter gewonnen. Für ein mehrtägiges Casting erlaubte diese ihm schließlich, beim Coach zu übernachten. Auf die Frage, ob Bell bereit wäre, über Details der Vorfälle zu sprechen, antwortet dieser: „Stellen Sie sich das Schlimmste vor, was Sie sich im Bereich von sexuellem Missbrauch vorstellen können. Das ist mir passiert.“ Zum Zeitpunkt der Tat war er 15 Jahre alt, der Coach 41.

Die Mutter einer damals Elfjährigen erzählt, ein Produktionsassistent des Senders habe ihrer Tochter ein Nacktfoto von sich beim Masturbieren geschickt, um ihr zu zeigen, dass er „an sie denke“. Behörden fanden später eine große Menge an Bildmaterial von sexuellem Missbrauch an Kindern bei ihm zuhause, auch er wurde verurteilt.

Maßgeblich mitverantwortlich für das traumatische Umfeld soll der Doku zufolge Produzent Dan Schneider gewesen sein, so liest es sich zumindest zwischen den Zeilen. Auch Vorwürfe gegen ihn werden erhoben: Etwa wird ein Video gezeigt, worin der einstige Kinderstar Amanda Bynes, damals 16, mit dem Produzenten im Whirlpool sitzt. Der Whirlpool war Teil des Konzepts ihrer Serie „Amanda Show“, aus heutiger Sicht unangebracht. Zwei ehemalige Autorinnen der Show berichten auch von anrüchigen Sprüchen Schneiders. Eine behauptet gar, er hätte ihr Pornos gezeigt und sie gebeten, ihn zu massieren. Aus Angst vor der Kündigung habe sie keinen Einspruch erhoben.

Produzent reagiert reuevoll

In einem Interview, das am Dienstag auf YouTube veröffentlicht wurde, reagiert der Produzent Schneider auf die Vorwürfe, zeigt sich dabei sichtlich zerknirscht. Durch die Doku habe er sich seinem vergangenen Verhalten stellen müssen, „peinlichem“ Verhalten, wie er sagt. Das Hinschauen sei ihm schwergefallen, und weiter: „Ich schulde definitiv einigen Menschen eine ziemlich starke Entschuldigung.“ Heute würde er nicht mehr so handeln, zu strafrelevantem Verhalten bekennt er sich nicht. Nickelodeon hat sich im Jahr 2018 von Schneider getrennt, nicht aber wegen sexuell übergriffigen Verhaltens, sondern wegen verbaler Ausbrüche, wie die „New York Times“ damals berichtete.

Der Sender Nickelodeon selbst will jetzt „alle formellen Beschwerden“ untersuchen, „als Teil unseres Engagements für die Förderung eines sicheren und professionellen Arbeitsplatzes“, zitiert die „New York Times“. Über die Jahre seien „zahlreiche Schutzmaßnahmen“ getroffen worden, „um sicherzustellen, dass wir unseren eigenen hohen Standards und den Erwartungen unseres Publikums gerecht werden“. (evdin)

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