Gastkommentar

Wie links ist die Linke eigentlich noch?

Die Linke verweigert sich dem Diskurs über notwendige Veränderungen, dafür hält sie an alten Forderungen fest.

Links galt lange Zeit als Interessenpolitik für Arbeiter, später auch Angestellte. Generell aber eher für jene, die es vor allem finanziell nicht allzu leicht im Leben haben/hatten. Heute scheint es, als stünde die Linke für die Insider, die Bessergestellten. Es gilt die Verwaltung des Status quo, die Besitzstandswahrung.

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Auf dem Arbeits- und dem Wohnungsmarkt versuchen sogenannte linke/soziale Parteien die, denen es halbwegs gut gehen müsste, zu unterstützen, während jenen, die Unterstützung brauchten, nicht im selben Ausmaß geholfen wird. Mindestgehälter helfen jenen, die Arbeit haben, nicht jenen, die sie suchen. Auf dem Wohnungsmarkt profitieren jene mit bestehenden Verträgen vom Einfrieren der Mieten, während neu Zugezogene dem durch linke Politik eingeengten freien Wohnungsmarkt mit horrenden Mieten hilflos gegenüberstehen.

Auch das Verteilen von Förderungen mit der Gießkanne ist eine Verteilung von unten in die Mitte und nach oben. Als Beispiel dient das Gratisstudium auch für Menschen aus reichem Haus, ebenso die Förderung eines reichhaltigen Kulturangebots, das vorzugsweise von der oberen Mittelschicht genutzt wird.

Die Kuh im Ort melken

Um die Parteisoldaten bei der Stange halten zu können, werden dann Erbschaft- und Vermögenssteuern propagiert, als ob diese Menschen ihr Geld gestohlen hätten. Viel eher sollte man sich mit den Großkonzernen à la Amazon und der Plattformindustrie wie zum Beispiel Airbnb auseinandersetzen. Während die einen ihr Geld versteuert haben und damit eigentlich machen sollen, was sie wollen (Erbschaft), zahlen Großkonzerne oftmals überproportional wenig fürs Gemeinwohl. Doch das ist natürlich sehr komplex – da ist die Kuh im Ort doch leichter zu melken.

Der „Österreich-Konvent“ hat vor 20 Jahren Verwaltungseinsparungen in Milliardenhöhe vorgeschlagen – auch da passiert nichts. Es würde zu sehr die Besitzständigen im Dunstkreis der Politik angreifen. Hinzu kommt die Überheblichkeit, zu glauben, man wisse, was für jeden das richtige und gute Leben sei. Mit emotional aufgeladenen Worten wie „sozial“, „gerecht“, „fair“, „inklusiv“ will man genau wissen, was richtig und was falsch ist.

Arbeit als biblische Plage

So wundert es nicht, wenn sich die Linke in einem Punkt nicht geändert hat: im Umgang mit Gewalt. Wenn Gruppierungen etwa für die Rechte der Geknechteten oder den Planeten oder sonst wen eintreten, der nicht zu exakt fassbar ist, gilt das als richtig und wichtig. Da werden auch gern Angriffe auf Polizisten verharmlost, Verkehrsblockaden durch Klimakleber schöngeredet oder mutwillige Sachbeschädigungen von Privateigentum bei Demos.

Es ist schade, dass in der sich schnell wandelnden Zeit keine substanziellen Änderungen vorgenommen, zumindest ein Diskurs über notwendige Änderungen eines jeden Einzelnen geführt werden. Dafür gibt es aber alte Forderungen nach weniger Arbeiten fürs gleiche Geld. Auch das eine eigenartige Meinung zum Thema Arbeit, die oft als biblische Plage statt als sinnstiftend und integrativ gilt. Freilich muss man sich diese Meinung auch leisten können, sowohl monetär als auch gedanklich.

Eine ernsthafte Standortbestimmung passiert eher selten, dafür ist die Opferrolle angenehmer. Ähnlich wie beim Staat, der viel anbieten möchte (Förderungen), dafür noch mehr kassieren muss, aber bei sich selbst lieber nicht sparen will. Da öffnet man lieber die Mottenkiste mit den althergebrachten Forderungen gegen andere. Ist einfacher und besser vermarktbar.

Mag. Dr. Wolfgang Glass ist promovierter Politologe, arbeitete u. a. als Personal­vermittler & Firmenaquisor und ist seit 2022 hauptamtlich Sanitäter in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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