Neues Album

Gratulation zur Scheidung, Shakira schimpft nur noch auf Spanisch

Shakiras „La Mujeres Ya No Lloran“ reiht sich in den Kanon von Trennungsalben ein.
Shakiras „La Mujeres Ya No Lloran“ reiht sich in den Kanon von Trennungsalben ein.Jaume De Laiguana/Sony Music
  • Drucken

Auf ihrem Comeback-Album rechnet die kolumbianische Sängerin mit ihrem Ex ab. Und führt vor, wie sich Latino-Musik auch von der Dominanz des Englischen emanzipiert.

Die Tränen am Cover von „Las Mujeres Ya No Lloran“ („Die Frauen weinen nicht mehr“), dem ersten Album von Shakira seit sieben Jahren, glitzern verdächtig. Schaut man genauer hin, merkt man, dass sie den Aggregatzustand gewechselt haben. Sie sind zu Diamanten erhärtet. Das Bild kann auf zwei Arten gelesen werden. Entweder ist die Trennung des 47-jährigen Popstars aus Kolumbien vom ehemaligen spanischen Starfußballer Gerard Piqué extrem lukrativ gewesen. Oder der Schmerz in sich selbst ist als Erfahrung so kostbar, dass das Leben auf unerwartet schöne Art neu beginnt.

Tränen sind eine der kostbarsten Flüssigkeiten der Popmusik, weil sie so viele schöne Songs inspiriert haben. Nur zwei Beispiele: Motown-Soulsänger Smokey Robinson besang sie in „The Tracks of My Tears“ stolz als etwas, das er nicht zeigt. Der Mann lächelt tapfer. Erst bei genauem Hinschauen sind die Spurrinnen der geweinten Bäche zu erkennen. Auch Amy Winehouse gab sich in „Tears Dry on Their Own“ beherrscht, obwohl sie es gar nicht war. Ihre Tränen trockneten im Schatten ihrer Traurigkeit. Erst danach gab sie sich kämpferisch. „I should just be my own best friend, not fuck myself in the head with stupid men.“ Wie man weiß, glückte das im Leben von Winehouse nicht so wirklich. Und auch in Shakira glüht der Ingrimm darüber, dass Piqué sie nach elf Jahren Beziehung wegen einer Jüngeren verlassen hat, mächtig weiter.

Im eigentlich unverdächtig klingenden Titel „Bzrp Music Session #53“ rechnet sie unerbittlich ab. Zu einem düsteren Beat und wüsten Neunzigerjahre-Synthiegefiepse knöpft sie sich ihren Ex vor. Innerhalb von 24 Stunden hat sie 50 Millionen Hörer bei der Veröffentlichung der Single erreicht. Das Echo auf Social Media im spanischsprachigen Raum war gigantisch. Shakira dominierte damit die Twitter-Trends. Eine Masse an Memes entstand, die nicht nur kreativ, sondern auch kommerziell genützt wurden, von Firmen wie Ikea, Netflix, Lidl oder Amazon.

Kein Anbiedern an den Weltmarkt

Mit Zeilen wie „Ich war eine Nummer zu groß für dich, deshalb bist du jetzt mit einer auf deinem Niveau zusammen“ spricht sie vielen Frauen aus dem Herzen, die nicht mehr gewillt sind, Opfer des in der spanischsprachigen Welt immer noch weit verbreiteten Machismo zu sein. Hier fällt auch die Zeile, die dem Album den Namen gab: „Die Frauen weinen nicht mehr, die Frauen rechnen ab.“

Was Shakira besonders ärgert: Sie hatte ihre musikalische Tätigkeit zurückgestellt, damit ihr Mann seine Karriere weiterführen konnte. Mit dem neuen Liederzyklus versucht sie wieder den musikalischen Anschluss. Mittlerweile hat sich nämlich die Katalanin Rosalia die Krone des Latinpop geschnappt. Sie macht abenteuerliche Popmusik, die gleichzeitig feministisch und voller Revolte ist. Zudem wurden der Kolumbianer J Balvin und der Puertoricaner Bad Bunny zu internationalen Superstars, die bewiesen, dass man auch ohne ein Wort Englisch zu singen auf dem amerikanischen und europäischen Markt reüssieren kann. Genau das probiert nun Shakira bei ihrem Comeback auch. Keine englischsprachigen Versionen, kein Anbiedern an den Weltmarkt. Der 2014 verstorbene Dichter Gabriel Garcia Márquez, mit dem sie eine Freundschaft verband, wäre wohl stolz auf sie.

Shakira bei der Präsentation des Albums.
Shakira bei der Präsentation des Albums.APA / AFP / Giorgio Viera

„Shakira, Shakira!“ rief Rapper Wyclef ­Jean einst in „Hips Don’t Lie“. Das war vor 19 Jahren. Diese explizite Huldigung wird Shakira nun wieder seitens ihres Duettpartners Fuerza Regida in „Jefe“ zuteil. Das Lied ist eines der wenigen des Albums, die nicht um die eigene Trennung kreisen. Shakira singt über den prekären Alltag einer alleinerziehenden Mutter der Working Class. Im Gros der neuen Lieder ergeht sich Shakira in Selbstermächtigungsgesten, die meist üppig elektronisch unterfüttert sind. Da wird spürbar, dass Shakira um Modernität bemüht ist. Dabei könnte sie alt aussehen, tut sie aber nicht.

Man kann zur Scheidung gratulieren

Im Vorjahr glückte der Anschluss an die aktuelle Szene mit dem giftigen „Copa Vacía“ (Leeres Glas), das sie mit Jungstar Manuel Torizo aufnahm. Trotz durchgehend spanischen Gesangs blinzelt Shakira doch ein klein wenig auf den amerikanischen Markt: „Punteria“ wurde ein Duett mit US-Rapperin Cardi B., die hier allerdings strikt auf Spanisch reimt.

Fazit: Shakiras musikalische Abrechnung mit Piqué reiht sich gut ein in den Kanon von Scheidungsalben wie Adeles „30“, Marvin Gayes „Here My Dear“ und Kacey Musgraves „Star-Crossed.“ Mühelos schafft es die Schere zwischen textlicher Pointiertheit und Tanzbarkeit. Man kann wohl zur Scheidung gratulieren.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.