Gastkommentar

Frau Engelhorns Millionendilemma

Archivbild von Marlene Engelhorn.
Archivbild von Marlene Engelhorn.Reuters / Lisa Leutner
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Die Liste der Aufgaben, die mithilfe von privaten Vermögen wesentlich vorangebracht werden könnten, ist lang.

Marlene Engelhorn hat ein 25-Millionen-Euro-Problem. Wie alle Welt von Wien über Paris und Madrid bis New York inzwischen weiß, hat sie dieses Problem an einen Bürgerrat von 50 handverlesenen Österreicherinnen und Österreichern delegiert. Diese Menschen sollen ihr sagen, was Engelhorn selbst nicht sagen will: Welchem guten Zweck das Geld zugeführt werden könnte.

Selbstverständlich kann Frau Engelhorn über ihr Vermögen nach Gutdünken verfügen. Es ist respektabel, für eine Erbschaftssteuer einzutreten, wenn man selbst davon betroffen wäre. Jedoch bleiben selbst in den wenigen Ländern mit sehr hohen Erbschaftssteuern (der OECD-Schnitt ist 15 Prozent, Frankreich hat mit 45 Prozent den höchsten Satz in Europa) sehr hohe Vermögen bei Erben.

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Keine Erbschaftssteuer, die nicht eine Beschlagnahmung des Vermögens wäre, würde darum Frau Engelhorns Dilemma lösen: Was ist ihre persönliche Verantwortung für den Reichtum? Diese – ethische, nicht gesetzliche – Entscheidung kann den Reichen niemand abnehmen, auch kein „guter Rat für Rückverteilung“.

Dabei ist dies ein Dilemma, das viele Menschen gern hätten. Denkt man den steuerlichen Ansatz zu Ende, läge alle Verantwortung für die Entwicklung unserer Gesellschaft beim Staat. Reiche Erben müssten sich nicht den Kopf über ihre soziale Verantwortung aufgrund des verbleibenden Vermögens zerbrechen.

Kriminalisierte Spender

Das Konzept der Zivilgesellschaft, das sich in den letzten Jahrzehnten etablierte, würde damit jedoch geschwächt, weil dieses private Vermögen für eine mögliche Finanzierung ausfällt. Die Zivilgesellschaft übernimmt es, für gesellschaftliche Aufgaben einzutreten, die von Staaten ignoriert und vernachlässigt, manchmal sogar bekämpft werden. Natürlich ist deren Basis das Engagement zahlreicher Menschen, auch vieler kleiner Spender. Aber Geld hilft allemal bei der Erreichung von Zielen.

Die Malariabekämpfung, von der Staatengemeinschaft grob vernachlässigt, erhielt erst durch die Milliardenunterstützung der Bill-und-Melinda-Gates-Stiftung den Antrieb, der jetzt zur ersten verfügbaren Malaria-Impfung und zu vielen anderen Maßnahmen führte. Das von George Soros finanzierte Open Society Institute war und ist in vielen Staaten eine der wenigen Stellen, die für die Stärkung schwächelnder Demokratien eintritt – Viktor Orbán hat sie darum in Ungarn kriminalisiert und vertrieben.

Kein Ersatz für Sozialstaat

Die Liste der Aufgaben, die mithilfe privaten Vermögens wesentlich vorankommen könnten, ist lang. Wichtig ist das Verständnis, dass privates Vermögen den Sozialstaat nicht ersetzt und den Bürgerinnen und Bürgern keine Verantwortung abnimmt. Aber viele Bereiche, wie die Durchsetzung von Grundrechten, Innovationen im Bildungsbereich oder der Kampf für Klimaschutz, brauchen private Finanzierung, um nachhaltig voranzukommen.

25  Millionen sind mit den Milliardenbeträgen superreicher Stifter nicht vergleichbar. Aber es ist im heimischen Maßstab ein Batzen Geld, mit dem auch Österreichs Superreichen ihre Verantwortung deutlich vor Augen geführt werden kann.

Das macht übrigens schon eine ganze Reihe gemeinnütziger privater Stifter und Stiftungen (allen voran die Initiative „Sinnstifter“), deren Tätigkeit bei Weitem nicht dieselbe öffentliche Aufmerksamkeit erreicht wie die Aktion von Frau Engelhorn. Darum ist es schade, dass sie ihre PR nicht dazu nutzt zu zeigen, wie reiche Erben die Zivilgesellschaft stärken können. Sondern, dass sie argumentiert, es wäre am besten, der Staat kassierte dieses Geld.

Helmut Spudich ist freier Journalist in Wien.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

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