Ein Dialog auf Leben und Tod. Jesus und Pilatus gemalt von Hans Multscher (15. Jhdt.).
Die Welt bis gestern

Dialog auf Leben und Tod: Jesus und Pilatus, der Prozess

Es war ein Gespräch, in dem es um Leben und Tod ging: Das Verhör durch Pilatus, das zur Verurteilung von Jesus führte. Eine Analyse.

Wer war schuld am grausamen Kreuzigungstod Jesu? Die Diskussion darüber wurde in der Vergangenheit mit großer Erbitterung geführt. Die Schuldigen wurden in den Juden gefunden. War nicht bei Matthäus 27,25 zu lesen: „Sein Blut komme über uns und unsere Kinder“? War das nicht ein überdeutlicher Hinweis darauf, dass die beim Urteil über Jesus anwesenden Juden sich auch für den Fall, dass Jesus unschuldig sei, selbst als Kollektiv auf fürchterliche Weise schuldig machten? Weniger oft wurde ein anderer Satz, aus dem Lukas-Evangelium, zitiert. In ihm war von Verzeihung die Rede. Er stammte vom sterbenden Jesus selbst und lautete: „Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun.“ (Lukas, 23,34).

Die christlich-theologische Auslegung dieses Schlüsseltextes des Neuen Testaments blieb antijüdisch, wurde einzementiert, fast zweitausend Jahre lang. Juden mussten sich für das, was sie einst Jesus angetan hatten, rechtfertigen. Der religiöse Vorwurf wirkte tief in den säkularen Antisemitismus hinein: Jesus sei „unter dem Druck fanatischer Juden“ gekreuzigt worden. Das jüdische Volk habe sich aus religiöser Feindschaft gegenüber Jesus schuldig gemacht an seinem Tod.

In der zweiten Hälfte des 20. Jahrhunderts war es dann ein jüdischer Jurist, ein Oberstaatsanwalt aus Jerusalem, Chaim Cohn, der den Prozess Jesu neu aufrollte. Bei der Gründung des Staates Israel 1948 gab es Petitionen protestantischer Theologen, die forderten, jetzt, wo es einen jüdischen Staat gab, den Justizirrtum im Prozess gegen Jesus zu bereinigen. Cohn nahm das auf.

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