Literatur

Maryse Condé ist tot: Nun ist es zu spät für den Literaturnobelpreis

Maryse Condé wurde für ihre Romane unter anderem mit einem alternativen Literaturnobelpreis ausgezeichnet.
Maryse Condé wurde für ihre Romane unter anderem mit einem alternativen Literaturnobelpreis ausgezeichnet. Philippe Matsas
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Die aus Guadeloupe stammende Maryse Condé ist im Alter von 90 Jahren gestorben. Sie schrieb meisterlich über afroamerikanische Identität.

Wenn das jährliche Rätselraten beginnt, wer denn den Literaturnobelpreis bekommen könnte, war sie viele Jahre vorn mit dabei: Maryse Condé, die kraftvoll und mitreißend das Thema der afrikanischen Identität in ihren Büchern behandelte, über Rassismus schrieb und Kolonialismus. Sie war bereits 40, als sie ihren ersten Roman veröffentlichte. Als, wie sie sagte, ihre eigenen Probleme ein Ende hatten. 

In ihrer Autobiografie „Das ungeschminkte Leben“ erzählt sie darüber: Geboren 1937 in Guadeloupe, einem der französischen Überseedepartements, wird Maryse Condé, jüngstes von acht Kindern, von ihren Eltern darauf getrimmt, sich als Französin zu fühlen, um den Makel der dunklen Haut zu überwinden. 1953 geht sie fürs Studium nach Paris, bekommt einen Sohn, erwirbt sie einen Abschluss in Moderner Literaturwissenschaft. Heiratet später, mehr als Zweckgemeinschaft. 1959 nimmt sie eine Stelle bei der französischen Entwicklungshilfe an der Elfenbeinküste an – kommt erstmals in Kontakt mit Afrika, ist schockiert und staunt.

Über die Jahre trifft Condé auf interessante Persönlichkeiten, darunter Revoluzzer, Künstler, Exilanten wie sie, gar Diktatoren, wird zur Marxistin und Antikapitalistin. Sie erlebt einen Putsch, eine Länderausweisung und das Gefühl, nirgends dazuzugehören. Nach Guadeloupe will sie nicht zurückkehren. In Afrika wird sie meist als Französin und sogar Kolonialherrin wahrgenommen, auch in Europa findet sie keinen Platz. Im Schlepptau ihre vier Kinder. Maryse Condé schreibt über Exil- und Entwurzelungserfahrung, die unter die Haut gehen.

Später Erfolg

Erst spät kommen die guten Jahre, in denen sie als Schriftstellerin Erfolge feiert. Sie brachte Dutzende Romane heraus, auch Theaterstücke. Viel Beachtung fand etwa der Roman „Ich, Tituba, die schwarze Hexe von Salem“ (1986), der von einer Sklaventochter handelt. Mit dem Roman „Segu. Mauern aus Lehm“ (1988) schaffte sie den Durchbruch. Das Buch handelt vom Untergang der Stadt Segu und erzählt von der Rivalität der Religionen und Ethnien, Sklavenhandel, Liebe und Familie.

Auch „Unter den Mangroven“ (1991) sowie „Wie Spreu im Wind“ (2004) wurden übersetzt. In dem Erzählband „Victoire. Ein Frauenleben im kolonialen Guadeloupe“ (2011) hat sie ihrer Großmutter in einem Sittengemälde der französischen Karibik zur Kolonialzeit des 19. Jahrhunderts ein literarisches Denkmal gesetzt. Die Autorin lehrte an der Sorbonne und anderen Universitäten Literatur – etwa an der Columbia University in New York.

Condé erhielt zahlreiche Preise. Den Literaturnobelpreis bekam sie allerdings nicht mehr. Nur im Skandaljahr 2018, als der Preis ausfiel, einen von der New Academy vergebenen alternativen Literaturnobelpreis. In Südfrankreich, wohin sie sich zuletzt zurückgezogen hatte, gilt sie als Grande Dame der humanistisch-postkolonialen Literatur. Maryse Condé ist im Alter von 90 Jahren gestorben. (red.)

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