30. Todestag

Kurt Cobain: Ein gar nicht so schicksalhafter Tod

Sänger Kurt Cobain Nirvana während des Pukkelpop Festivals im August 1991
Sänger Kurt Cobain Nirvana während des Pukkelpop Festivals im August 1991Imago / Imago Stock&people, Via Www.imago-images.de
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Nirvana-Sänger Kurt Cobain war 27, als er am 5. April 1994 starb. Gefunden wurde er erst nach drei Tagen. Seine Musik voller Weltschmerz und Wut prägte mehr als nur ein Genre.

Verzerrte Gitarren, aggressive Drums und von Weltschmerz geprägte Texte: Mit ihrer originären Mischung aus Verletzlichkeit und Wut traf die Band Nirvana Anfang der Neunziger ins Herz einer Generation und wurde weltberühmt. Bis heute ist sie eine der einflussreichsten Band ihrer Zeit – und Bandleader Kurt Cobain ein Mythos, auch wegen seines frühen Todes. Er war erst 27 Jahre alt, als er sich am 5. April 1994 das Leben nahm. Gefunden wurde der Weltstar erst drei Tage später. Die Nachricht, dass der Musiker, der wie kein anderer das Genre des Grunge personifizierte, tot sei, ging um die Welt. Schnell wurde Cobain zum „Klub 27“ gezählt, dem andere mit 27 Jahren verstorbenen Musiklegenden wie Jimi Hendrix, Janis Joplin oder – jüngster Neuzugang – Amy Winehouse angehören. Auch 30 Jahre nach Cobains Tod berühren seine Texte und man fragt sich: Was hätte er noch schaffen können, welche Musik, welche Kunst?

Denn so schicksalshaft, wie sein Tod gerne dargestellt wird, war er nicht. Cobains Leben begann keineswegs tieftraurig, depressiv oder selbstzerstörerisch, beschreiben Biografen. Geboren wurde Kurt Donald Cobain am 20. Februar 1967 in Aberdeen im US-Bundesstaat Washington. „Ich hatte eine wirklich gute Kindheit, bis ich neun war“, erinnerte er sich selbst Jahre später. Denn seine Eltern ließen sich scheiden. Die Trennung hinterließ tiefe Spuren in Cobains Leben. Zu dieser Zeit machte er auch schon Bekanntschaft mit Drogen: Weil er hyperaktiv war, verschrieben ihm Ärzte Medikamente wie Ritalin.

Cobain und Novoselic lernten sich als Teenager kennen

In seiner Jugend lebte Cobain zeitweise bei Verwandten, übernachtete bei Freunden oder manchmal auch unter Brücken. Schon früh zeigte Cobain künstlerisches Talent. Er zeichnete, malte und machte bald Musik: Mit 14 schenkte ein Onkel Kurt Cobain eine Gitarre. Im Jahr darauf lernte er Krist Novoselic kennen, der später Bassist von Nirvana werden sollte – beeinflusst von Bands aus der Gegend wie den Melvins.

Nirvana 1989, damals noch mit Chad Channing (links) und Dan Peters von Mudhoney, der nur zwei Monate bei der Band war (zweiter von rechts)
Nirvana 1989, damals noch mit Chad Channing (links) und Dan Peters von Mudhoney, der nur zwei Monate bei der Band war (zweiter von rechts) IMAGO/Ian T Tilton / Avalon

Mitte der 1980er-Jahre gründete Cobain diverse Bands, die sich wieder auflösten. Erst Nirvana sollten länger bestehen bleiben. Am 19. März 1988 traten Cobain, Novoselic und Drummer Dave Foster erstmals unter diesem Namen auf. Ein Jahr darauf erschien mit Drummer Chad Channing das erste Album der Band, „Bleach“. Im selben Jahr lernte Cobain Courtney Love, Sängerin der Band Hole, kennen, die er 1992 auf Hawaii heiratete. Sechs Monate später, am 18. August 1992, kam Tochter Frances Bean auf die Welt. Cobain war damals schon Superstar.

Kurt Cobain, Courtney Love und Tochter Francis Bean Cobain im September 1993 bei den MTV Music Awards
Kurt Cobain, Courtney Love und Tochter Francis Bean Cobain im September 1993 bei den MTV Music AwardsImago / Imago Stock&people

Nirvana in Wien, Graz und Linz

Auf der Tournee zu „Bleach“ spielte die Band im November 1989 auch in Österreich – in der Linzer KAPU und im Wiener U4 sowie im Cafe Pi in Graz und im Autonomen Jugendzentrum Konkret in Hohenems. Erst die nächste Platte sollte das Leben der Musiker verändern. Während der Aufnahmen zum zweiten Album stieg Drummer Channing wegen künstlerischer Differenzen aus der Band aus. Ersetzt wurde er durch Dave Grohl. Der neue Mann am Schlagzeug und Produzent Butch Vig sollten den Sound von Nirvana verändern. Drei Wochen nach der Veröffentlichung von „Nevermind“ stieg die Platte in die US-Charts ein, im Jänner 1992 verdrängte sie Michael Jacksons „Dangerous“ von Platz eins.

Der Stern von Nirvana stieg, Cobain selbst ging es immer schlechter. Eine Europa-Tournee musste die Band absagen, weil der Sänger sich eine Virusinfektion zugezogen hatte. Zudem hatte er chronische Magenschmerzen und (auch deshalb) begonnen, Heroin zu konsumieren. Auch Love nahm Drogen. Schon als Tochter Frances Bean wenige Wochen alt war, wurde den Eltern kurzzeitig die Erziehungsberechtigung entzogen, weil Love verdächtigt wurde, während der Schwangerschaft Heroin konsumiert zu haben.

Bandporträt: Cobain, Novoselic, Grohl
Bandporträt: Cobain, Novoselic, GrohlIMAGO/Joe Giron

Cobains Sehnsucht nach einer heilen Familie, wie er sie selbst zu kurz erlebt hatte, schien sich nicht zu erfüllen. Der Ruhm machte ihm zu schaffen. Er hasste Journalisten und spuckte gelegentlich auch auf Kameras. Mit ihrem dritten regulären Album „In Utero“ von 1993, produziert von Steve Albini, verweigerten sich Nirvana den in sie gesetzten Erwartungen. Sie kehren darin auch zur ursprünglichen Intensität ihrer Debütjahre zurück, ihre Songs wie „Heart-Shaped Box“ oder „Rape Me“ haben düstere Texte und sind nicht unbedingt Radio-freundlich. Der Arbeitstitel von „In Utero“ lautete auch „I Hate Myself And I Want To Die“.

Am 18. November 1993 spielte die Band für die MTV-Unplugged-Reihe ein Konzert – es sollte Kurt Cobains Vermächtnis werden und wurde ein halbes Jahr nach seinem Tod veröffentlicht. Cobain war nervös, wieder einmal auf Entzug und weigerte sich, Stars als Gastmusiker einzuladen oder die Hits von Nirvana zu spielen. Kurz sah es danach aus, als würde das Konzert überhaupt nicht stattfinden können. Am Ende klappte es doch, angeblich auch dank Valium. Das „Rolling Stone“-Magazin zählt „Unplugged in New York“ heute zu den zehn besten Live-Alben der Musikgeschichte.

Überdosis in Rom

Die geplante „In Utero“-Stadiontour, die ein Jahr hätte dauern sollen, wurde wegen Cobains Magenproblemen nach dem München-Konzert am 1. März 1994 unterbrochen, Cobain und seine Frau flogen nach Rom. Zwei Tage später wurde der Musiker ins Krankenhaus eingeliefert – er hatte eine Überdosis Schlafmittel genommen und war ins Koma gefallen. Seine Ärzte sprachen von einem Suizidversuch, der Musiker selbst von einem Versehen.

Cobains Umfeld und auch seine Frau drängten ihn, einen Entzug zu machen. Fünfmal hatte er bereits versucht, von den Drogen loszukommen, als er Anfang 1994 ins „Exodus Recovery Center“ ging. Doch auch der sechste Versuch blieb erfolglos. Am 1. April besuchte Courtney Love ihren Mann mit Tochter Frances Bean, am gleichen Tag floh Kurt Cobain aus der Entzugsklinik.

Am 3. April meldete Courtney Love ihn als vermisst

Cobain war wie vom Erdboden verschwunden. Courtney Love gab am 3. April eine Vermisstenanzeige auf. Erst ein Elektriker fand Cobain zufällig in einem Zimmer über der Garage in Cobains Wohnsitz in Seattle. Mit einer Überdosis Heroin im Körper hatte er sich erschossen. In seinem Abschiedsbrief zitierte er aus Neil Youngs Song „My My, Hey Hey (Out Of The Blue)“: „It‘s better to burn out than to fade away.“

Unzählige Verschwörungstheorien um den Tod des Idols sind seitdem entstanden: Über einen Auftragsmord ist ebenso die Rede, wie davon, dass er sich durch das Heroin und die zusätzliche Einnahme von Diazepam gar nicht erschießen hätte können. Die Rolle der Bösen in diversen Spekulationen übernimmt dabei meist Cobains Witwe.

Viele Kunstschaffende haben sich mit dem Leben des Nirvana-Sängers beschäftigt, darunter auch Filmemacher: Gus Van Sant erzählte im Spielfilm „Last Days“ (2005) von den letzten Tagen des Künstlers. 2015 kam die intime und hochgelobte Doku „Cobain: Montage of Heck“ (zu leihen oder kaufen bei diversen Anbietern) von Regisseur Brett Morgen heraus.

Streit zwischen Grohl, Novoselic und Love

Um Cobains Vermächtnis gibt es immer wieder Streit. Mehrfach hat Witwe Courtney Love Novoselic, vor allem aber Dave Grohl, der inzwischen mit den Foo Fighters höchst erfolgreich ist, vorgeworfen, sie und Frances Bean in finanziellen Belangen unfair zu behandeln. Das Verhältnis zwischen Mutter und Tochter ist ebenfalls angespannt: 2003, da war Frances Bean gerade elf Jahre alt, kam das Kind zum ersten Mal unter die Obsorge ihrer Großmutter Wendy O‘Connor, nachdem Love wegen Medikamentenmissbrauchs festgenommen worden war. Nach erfolgter (wenn auch letztlich nicht erfolgreicher) Rehab und langem Rechtsstreit bekam sie ihre Tochter im Jänner 2005 zurück. 2009 verlor sie das Sorgerecht ein weiteres Mal, O‘Connor und Kimberly Dawn Cobain, die Schwester von Kurt Cobain, wurden ihre Erziehungsberechtigten.

Grunge und Drogen – für viele Vertreter sollte sich das Genre als zerstörerisch erweisen. Cobain ist nicht der einzige der damaligen Heroen, der nicht mehr lebt, Soundgarden-Sänger Chris Cornell beging Suizid, Layne Staley von Alice in Chains und Scott Weiland von den Stone Temple Pilots starben an Drogen. 

Frances Bean Cobain: „Ich bin eine andere Person“

Frances Beans Leben scheint indes einigermaßen stabil zu verlaufen. Vergangenen Oktober hat sie Riley Hawk, den Sohn des Skateboard-Profis Tony Hawk, geheiratet. Trotz ihrer prominenten Eltern ist erstaunlich wenig bekannt über sie. Schon als 13-Jährige sagte sie in einem ihrer raren Interviews: „Ich bin eine andere Person. Ich möchte nicht als Tochter von Kurt Cobain und Courtney Love etikettiert werden.“ (her/Red.)

Hilfe bei Suizidgefahr

Es gibt eine Reihe Hilfseinrichtungen und Anlaufstellen für Menschen in akuten Krisensituationen. Unter www.suizid-praevention.gv.at findet man Notrufnummern und Erste Hilfe bei Suizidgedanken.

Telefonische Hilfe gibt es auch bei:

Kriseninterventionszentrum (Mo-Fr 8-17 Uhr): 01/406 95 95, kriseninterventionszentrum.at
Rat und Hilfe bei Suizidgefahr 0810/97 71 55
Psychiatrische Soforthilfe (0-24 Uhr): 01/313 30
Sozialpsychiatrischer Notdienst 01/310 87 79
Telefonseelsorge (0-24 Uhr, kostenlos): 142
Rat auf Draht (0-24 Uhr, für Kinder & Jugendliche): 147
Gesprächs- und Verhaltenstipps: bittelebe.at

Hilfe für Menschen mit Suizidgedanken und Angehörige bietet auch der noch recht junge Verein „Bleib bei uns“. www.bleibbeiuns.at

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