Die Rettungskräfte dringen nach dem heftigen Beben in Taiwan zu immer mehr eingeschlossenen Personen vor. In der besonders schwer getroffenen Stadt Hualien sind etliche Gebäude unbewohnbar geworden. In manche von ihnen dürfen die Bewohner für wenige Minuten hinein.
Die gefährlichen Aufräum- und Rettungsarbeiten nach dem schweren Erdbeben in Taiwan sind in vollem Gange. Das Beben ließ in der Stadt Hualien Wohnhäuser zum Teil einstürzen oder in bedrohliche Schieflage geraten.
Mittlerweile erreichten die Behörden immer mehr Informationen zu eingeschlossenen Menschen, die den Angaben zufolge jedoch alle in Sicherheit waren. Die Zahl erhöhte sich im jüngsten Bericht auf 646. In einer Wanderunterkunft im Kreis Hualien befanden sich demnach 615 Menschen. 24 Touristen säßen noch in einer Höhle fest. Zudem seien sechs Studenten und ein weiterer Mensch noch andernorts eingeschlossen. Zu schätzungsweise weiteren 30 Vermissten fehlte nach jüngsten Angaben noch der Kontakt.
Zuvor hatten Rettungskräfte bereits sechs Arbeiter, die in einem anderen Steinbruch festsaßen, per Hubschrauber aus dem Gebiet gebracht. Die Zahl der Verletzten stieg auf 1.058, die der Toten blieb bei neun.
Zehn Minuten Zeit, um das Nötigste einzupacken
Vor einem schwer beschädigten zehnstöckigen Gebäude im Stadtzentrum von Hualien standen am Mittwoch Dutzende von Bewohnern Schlange, um hineinzukommen und ihre Habseligkeiten zu holen. Sie mussten Helme tragen und wurden von Einsatzkräften begleitet. Sie hatten ein Zeitfenster von 10 Minuten, um ihre Wertsachen in riesigen Müllsäcken einzusammeln. Manche zogen es vor, ihre Sachen aus dem Fenster auf die Straße zu werfen, um Zeit zu sparen.
Tian Liang-si, die im fünften Stock wohnte, versuchte ihren Laptop, Familienfotos und andere Gegenstände zu retten. Sie erinnerte sich an den Moment des Erdbebens, als sie eilig ihre vier Welpen rettete, als das Gebäude wackelte und sich Möbel bewegten. „Ich bin eine gebürtige Hualienerin. Eigentlich sollte ich keine Angst vor Erdbeben haben. Aber dies ist ein Erdbeben, das uns Angst macht“, sagte sie gegenüber der Nachrichtenagentur Reuters. „Dieses Gebäude ist nicht mehr bewohnbar.“
960 Menschen befreit
Wie die Behörden weiter mitteilten, befreiten die Helfer seit dem Erdbeben mehr als 960 Menschen. Viele waren nach den Erdstößen östlich der Inselrepublik in Gebäuden oder Tunneln eingeschlossen. Besonders stark von dem Beben - nach taiwanesischen Angaben mit einer Stärke von 7,2 - wurden die Stadt Hualien und der gleichnamige Kreis an der Ostküste getroffen. Die Naturgewalt war allerdings auf der gesamten Insel mit mehr als 23 Millionen Einwohnern zu spüren. Mehr als 630 Menschen fanden den Angaben zufolge in etwa 30 Notunterkünften Unterschlupf.
Taiwans künftiger Staatspräsident Lai Ching-te machte sich ein Bild von den Folgen des Bebens. Vor einem eingestürzten Haus in Hualien drang er zur Eile bei der Rettung. Dies habe derzeit oberste Priorität. Lai, der im Mai sein Amt antreten soll, erklärte, die Zugverbindung in die Region Hualien werde am Donnerstag wieder aufgenommen.
Laut der Luftwaffe wurden sechs F-16-Kampfjets leicht beschädigt, dürften aber bald wieder einsatzbereit sein. Von einem Stützpunkt in Hualien werden immer wieder Jets zur Überwachung von Flugzeugen der Volksrepublik China losgeschickt. Die Führung in Peking betrachtet das demokratisch regierte Taiwan als eine abtrünnige Provinz, die Spannungen sind hoch.
Das Beben ereignete sich gegen 8 Uhr Ortszeit, als viele Menschen sich gerade auf den Weg zur Arbeit oder zur Schule machten. Noch in der über 200 Kilometer entfernten Hauptstadt Taipeh waren die Erdstöße deutlich zu spüren. Auch Nachbeben wurden registriert. Das Erdbeben war chinesischen Staatsmedien zufolge auch auf dem chinesischen Festland zu spüren. Ein Reuters-Augenzeuge berichtete von Erschütterungen in Shanghai. Eine Tsunami-Warnung für Japan und die Philippinen wurde nach kurzer Zeit aufgehoben.
Das letzte schwere Erdbeben in Taiwan ereignete sich der taiwanesischen Wetterbehörde zufolge 1999. Damals kamen 2.400 Menschen ums Leben. 50.000 Gebäude wurden zerstört oder schwer beschädigt. Es hatte eine Stärke von 7,6. (APA/Reuters)