Baugeschichte

Wien-Neubau: Sieben Stadthäuser füllen urbane Lücke

Auf engstem Raum entstanden 28 Ebenen und 400 m<sup>2</sup> Wohnraum.
Auf engstem Raum entstanden 28 Ebenen und 400 m2 Wohnraum.Theresa Wey
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Hier noch ein Haus, da noch ein Ausbau: Nachverdichtung im Stadtraum klingt zwar einfach, ist aber in der Praxis herausfordernd. Das zeigt ein Projekt im 7. Bezirk in Wien.

Die Aufgabe hatte es in sich: Inmitten des dichten Treibens der Neubaugasse hinter dem spätbarocken Gebäude der Nummer 62 wurden aus zwölf Garagenboxen sieben Stadthäuser mit jeweils vier Stockwerken und Terrassen gebaut. „NOOI“ heißt das Projekt, eine Anspielung an die räumliche Dichte einer historischen japanischen Gasse. Der Name könnte aber auch zum italienischen „noi“ passen, zu Deutsch: wir, denn die Häuser reihen sich so eng aneinander, dass man – ganz im italienischen Stil – entweder die Wäscheleinen von einem Fenster zum anderen spannen oder gemütlich von Terrasse zu Terrasse plaudern könnte.

Aber: So harmonisch dieses Beispiel städtischer Nachverdichtung jetzt wirkt, so herausfordernd war dessen Bau. Denn auch wenn es logisch klingt, Lücken in der Stadt zu füllen, ist das dahinterstehende praktische Prozedere für alle Beteiligten eine logistische Mammutaufgabe.

Die Häuser können wochenweise angemietet werden.
Die Häuser können wochenweise angemietet werden.Theresa Wey

Tor mit Flaschenhals erschwerte den Bauprozess

Das beginnt bereits beim 2,5 Meter breiten Tor und dem dahinterliegenden Flaschenhals, durch welchen das Baumaterial gekarrt werden musste. Dabei bestimmte die Größe des Tores maßgeblich das verwendete Material. „Wir mussten aufgrund der Enge von großformatigen Tafeln aus Fertigmassivholz absehen – da wäre die Einbringung durch das Tor einfach nicht möglich gewesen“, erzählt Architekt Oliver Paar-Tschuppik, der zusammen mit Martin Kohlbauer und Bauherrin Claudia Strasser die als Ferienwohnungen genützten Häuser konzipiert hat. Auch die schlussendlich verwendeten Portalverglasungen waren exakt so groß, um sie durch das Tor tragen zu können.

Passt es durch das Tor? Eine Frage, die den Bau begleitete.
Passt es durch das Tor? Eine Frage, die den Bau begleitete.Theresa Wey

Die allerersten Berührungspunkte mit dem Thema Enge waren jedoch schon beim Abbruch der am Grundstück stehenden Garagen gegeben. „Wir konnten aufgrund des Platzmangels keine Mulde für den anfallenden Bauschutt direkt auf die Baustelle bringen“, so Paar-Tschuppik. Man half sich mit Minimulden aus, die auf kleine Gefährte gesetzt wurden, und den Schutt – zwischen Radfahrern und Bussen der Linie 13A – in kleinen Portionen rausführten. Gleichzeitig konnten die für den Bau in Paletten angelieferten Ziegel nicht konventionell am Grundstück gelagert, sondern mussten nach und nach geliefert und gleich verbaut werden.

Zum Ort, zum Objekt

Die Verbauung der Neubaugasse begann 1550 nach der Ersten Türkenbelagerung, 1862 erhielt sie ihren jetzigen Namen. Ursprünglich fuhr eine Pferdeomnibuslinie durch die Gasse, ab 1907 die elektrische Straßenbahnlinie 3 und ab 1961 die Buslinie 13A. 2020 wurde die Gasse zur Begegnungszone umgestaltet. Das Hauptgebäude mit der Nummer 62 wurde 1750 errichtet und steht unter Denkmalschutz. Die sich dahinter befindenden sieben Stadthäuser können wochenweise angemietet werden: www.noi.at

Das Projekt verlangte also besondere Tetriskünste, und: einen besonderen Kran, um etwa die 200 bis 300 Kilo schweren Glasscheiben zu heben. Da für den üblichen der notwendige Abstand fehlte, benutzte man einen kleinen Raupenkran, der auf den ersten Blick „aussieht wie ein Minibunker“, aber die Arme auf neun bis zehn Meter ausfahren kann. Der Beton wiederum musste über das private Grundstück von der gegenüberliegenden Stuckgasse eingebracht werden, weil die Verankerungen den Belag der Neubaugasse zerstört hätten. „Jede Großanlieferung in einer Begegnungszone wie der Neubaugasse bedarf außerdem einer besonderen Genehmigung, und das kostet mehr Zeit und Geld.“

Innenausbau orientierte sich am Schiffbau

Beim Innenausbau orientierte man sich am Schiffbau und nützte jede Länge und Breite voll aus. „Die Küchenkästen sind keine Standardelemente, sondern in den Dimensionen alle unterschiedlich.“ Sprich ein Maßanzug für jede Ecke. Elektronik und Leitungen wurden in verdeckten Nischen versteckt, die Rohbautreppen aufpoliert, um Raumhöhe und zusätzlichen Platz zu schaffen. Eine „Schicht von Privatheit“ zauberten die Architekten außerdem durch die speziellen Holzfaltwände, die Schatten spenden und – auf Wunsch – wenig Einsicht gewähren. In einem solch engen Raumgefüge ein wichtiger Aspekt. Und: Je mehr verdichtet wird, umso mehr wird man sich sehen. Darum müssen Fassaden „zukünftig mehr können“, sagt Paar-Tschuppik: „Sie werden zu einer Haut, die zwischen durchlässig und undurchlässig wechselt.“

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