Mein Dienstag

Loslassen

Der Prozess des Loslassens gehört zu den schwierigsten im Leben.
Der Prozess des Loslassens gehört zu den schwierigsten im Leben. Imago/Rolf Poss
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Wer soll nur deinen Platz einnehmen? Deine Schulter zum Weinen? Dein Feingefühl?

Es gibt da diese Szene in dem Film „Verrückt nach dir“ (2010). Journalistin Erin (Drew Barrymore) bekommt einen attraktiven Job in San Francisco angeboten, den sie unter gewöhnlichen Umständen ohne zu zögern annehmen würde. Seit Kurzem ist sie aber in einer leidenschaftlichen Beziehung mit Garrett (Justin Long), der in einem Plattenlabel in New York arbeitet. Nach langem Hin und Her deutet Erin an, sie werde den Job ablehnen und bei ihm bleiben. Garrett lässt das aber nicht zu. Weil er weiß, wie hart sie für diese Chance gearbeitet hat. Da er seinerseits New York nicht verlassen kann, beendet er die Beziehung und erzwingt, dass Erin nach San Francisco geht.

Wer schon einmal in so einer Situation war, weiß um Garretts schweren inneren Konflikt. So eine Entscheidung zu treffen verlangt dir alles ab. Du nimmst in Kauf, dass eine geliebte Person nicht mehr deine Fürsorge genießt, deine Hingabe, deine Aufmerksamkeit. Dass sie nicht mehr auf deiner Brust einschlafen wird, sondern auf der von jemand anderem. Vielleicht von jemandem, der ihre kleinen liebenswürdigen Eigenheiten nicht zu schätzen weiß. Der ihre Schwächen nicht zu Stärken umdeutet, sondern sie als Waffe gegen sie verwendet, um die Machtverhältnisse in der Beziehung zu seinen Gunsten zu verschieben. Der bei einem ihrer langen und redundanten Monologe nicht bis zum Ende zuhört, sondern sie unterbricht und in Verlegenheit bringt. Der nicht ihr zuliebe ein Restaurant besucht, das er gar nicht mag und in dem er als Vegetarier kaum Auswahl hat. Der nicht vor ihr erkennt, dass sich eine ihrer heftigen Migräneattacken anbahnt, und eine Tablette bereithält. Der ihr Glück, ihre Gesundheit und ihr Wohlbefinden nicht über seines stellt – und zwar so unauffällig, dass sie es gar nicht merkt.

Diese Gedanken zerreißen dich und fressen dich auf. Aber du steckst sie weg, um nicht zwischen einem Menschen und einem Lebenstraum zu stehen. Denn du bist die Antithese zu einem Narzissten. Du gibst nach, während andere hartbleiben. Du wartest, während andere schon gegangen sind. Und du lässt los, während andere immer noch festhalten.

E-Mails an: koeksal.baltaci@diepresse.com

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