Literaturszene

Zwei Artmann-Preis-Juroren hören aus Protest auf

Klaus Zeyringer
Klaus ZeyringerIMAGO/Elmar Gubisch
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Klaus Zeyringer und Sylvia Treudl legen ihre Funktion zurück, weil das Literaturreferat mit jenem für Film und Mode zusammengelegt wurde. Zeyringer nennt die Referatsleiterin eine „für Literatur und Literaturbetrieb inkompetente Person“.

In der Wiener Literaturszene rumort es: Grund ist die im August 2023 erfolgte Auflösung des bisher eigenständigen Literaturreferats der Stadt Wien und die Zusammenlegung mit dem Referat für Film und Mode. Nun haben mit Klaus Zeyringer und Sylvia Treudl zwei Juroren des H.C. Artmann-Preises ihre Funktion zurückgelegt, die IG Autorinnen Autoren üben Kritik an „Problemfeldern“. Die Kulturabteilung verweist auf aktuelle Maßnahmen im Literaturbereich.

»Respektlosigkeit, unter dem Vorsitz einer für Literatur und Literaturbetrieb inkompetenten Person tätig sein zu sollen«

Klaus Zeyringer

über Referatsleiterin Sylvia Faßl-Vogler 

Durch die Umstrukturierung habe sich „die Lage wesentlich verschlechtert“, schreibt der Germanist und bisheriger Juror Zeyringer in seinem Kündigungsschreiben, das der APA vorliegt. „Zuvor tagten wir mit einer fachlich zuständigen, kompetenten Referatsleiterin und ihrer gut informierten Sekretärin“, so der Literaturwissenschafter. Die Sitzungen fänden nunmehr zusätzlich unter dem Vorsitz der neuen Referatsleiterin Sylvia Faßl-Vogler statt, „die sich bei Film oder Mode auskennen mag, aber wenig Ahnung von Literatur und Literaturbetrieb hat. Ihre Bemerkungen und Fragen zeugen nicht nur davon, sondern verlängern auch die Arbeit unnötig“, ärgert sich Zeyringer, der sich „nicht gewillt“ zeigt, „die Herabsetzung der Literatur und deren praktische Auswirkungen mitzutragen“. Mit seiner internationalen Erfahrung empfinde er es als „Respektlosigkeit, unter dem Vorsitz einer für Literatur und Literaturbetrieb inkompetenten Person tätig sein zu sollen“, weshalb er sich sowohl aus dem Beirat als auch aus der Artmann-Preis-Jury zurückzieht.

Treffen war „gegenseitiges Kennenlernen“

Seitens der MA 7 verweist man in einer Stellungnahme darauf, dass die Juryleitung des Artmann-Preises weiterhin von der bisherigen Referatsleitung Julia Danielczyk verantwortet werde und die nunmehrige Referatsleiterin und eine weitere Literaturreferentin bei einer Jurysitzung „für ein gegenseitiges Kennenlernen“ anwesend gewesen seien. Auch Treudl, Autorin und Mitbegründerin des Unabhängigen Literaturhauses Niederösterreich, zeigt sich in ihrem Kündigungsschreiben „gelinde gesagt entsetzt über die inhaltlich nicht nachzuvollziehende Zusammenlegung“ der Referate und kritisiert den anschließenden „intransparenten Diskurs“.

Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler (SPÖ) nimmt die Rücktrittsschreiben der beiden Jurymitglieder „mit Bedauern zur Kenntnis“. Sie schätze deren Expertise sehr und hoffe, dass sowohl Zeyringer als auch Treudl ihre Entscheidung überdenken. „Da es den klaren Auftrag an Julia Danielczyk gibt, weiterhin die inhaltlichen Agenden zu betreuen und dafür verantwortlich zu sein, bin ich verwundert über die Verstimmungen, die zum Rücktritt zweier Jurymitglieder geführt haben“, so die Stadträtin. „Denn ich gehe davon aus, dass – wie in Übereinstimmung mit der Kulturabteilung vereinbart –, Julia Danielczyk als Expertin sämtliche Jurysitzungen inhaltlich vorbereitet und leitet. Dass es zu Irritationen gekommen ist, bedauere ich sehr und hoffe, dass die gute Zusammenarbeit weiter Fortsetzung findet.“ Mittlerweile ist auch Christina Kaindl-Hönig vom Literaturbeirat zurückgetreten.

IG Autorinnen Autoren über immer wiederkehrende Probleme

Die IG Autorinnen Autoren spricht darüber hinaus von „immer wiederkehrenden Problemfeldern“ wie einer nicht funktionierenden elektronischen Bearbeitung, einem Jury- und Beiratswesen „für alles und jedes“ sowie „starren Einreichterminen“: „Wir fordern die Stadt Wien auf, die Versprechen wahr zu machen, der Literatur und der Literaturförderung endlich die Aufmerksamkeit zukommen zu lassen, die ihr gebührt“, heißt es in dem Schreiben, dem auch eine Liste von Punkten angefügt ist, die die Stadt in einem Gespräch gemeinsam mit Interessensvertretungen im Herbst zugesagt habe. Darunter finden sich u.a. die Erhöhung der Druckkostenzuschüsse, die Möglichkeit zur Mehrjährigkeit von Projektförderungen oder die Überlegung einer von der Stadt Wien finanzierten und bei der IG Autorinnen Autoren angesiedelten Steuer- und Sozialberatungsmöglichkeit.

Seitens der Stadt Wien verweist man auf eine „substanzielle Erhöhung“ des Literaturbudgets im Jahr 2024 um rund 15 Prozent (auf 4,01 Mio. Euro) sowie aktuelle Maßnahmen wie eine der IG Autorinnen Autoren gratis zur Verfügung gestellte Wohnung für den Aufenthalt von verfolgten Schriftstellerinnen und Schriftstellern, die geplante Errichtung eines Kinderliteraturhauses (ab 2026) in Floridsdorf, die geplante Errichtung eines „neuartigen Atelierhauses“ am Otto-Wagner-Areal (in dem künftig auch Arbeitsräume für Autoren zur Verfügung stehen sollen) sowie eine „Vereinfachung der Einreich- und Abrechnungsprozesse für Publikationsförderungen“.

Darüber hinaus seien starre Einreichtermine bei einem Fördervolumen über 6000 Euro „dringend notwendig, da andernfalls die Arbeit nicht serviceorientiert erledigt werden kann“, die von der IG Autorinnen kritisierten Beiräte seien „ein von der Szene gewolltes Instrument - um die Fördervergabe zu objektivieren“. Zu den Druckkostenzuschüssen seien der MA 7 „keinerlei Beschwerden bekannt“, die Publikationsförderung sei im Jahr 2024 um 100.000 Euro erhöht worden. Seitens der IG Autorinnen fragt man sich wiederum, „wo das angeblich mehr gewordene Geld hingeht“, so Geschäftsführer Gerhard Ruiss.

Das Büro der Stadträtin verweist darauf, dass sich das Literaturbudget seit Kaup-Haslers Amtsantritt im Jahr 2018 bis 2022 um 55 Prozent erhöht habe, das aufgestockte Budget werde nach Prüfung und positiver Bewertung durch Expertinnen und Experten sowie Beiräten eingesetzt. „Es hat ein gutes und langes Gespräch mit der IG Autorinnen Autoren und anderen Vertreter*innen der Literaturszene gegeben, bei der alle Fragen angesprochen und deren Resultate an die Kulturabteilung weitergeleitet wurden. Einige Punkte der Liste waren bereits ohnehin in Umsetzung“, heißt es von Kaup-Hasler; Danielczyk habe die Gespräche mit den Vertreterinnen und Vertretern weitergeführt. (APA)

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