Studie

Das Empathie-Dilemma der Manager

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Der „Hernstein-Management-Report“ zeigt: Führungskräfte tendieren dazu, ihr Einfühlungsvermögen zu überschätzen. Die Situation aber ist nicht hoffnungslos.

Eines vorweg: Dass Leadership und Management nicht synonym sind, spricht sich langsam herum. Jedenfalls sind sechs von zehn österreichischen Führungskräften dieser Meinung, das ergab die jüngste Ausgabe des „Hernstein Management Report“, der der „Presse“ exklusiv vorliegt. Wobei Inhaber und oberes Management offenbar weniger davon überzeugt sind, dass sich Management eher um die Sachebene dreht und Leadership für die Beziehungsebene steht.

Die Autoren fragten die Führungskräfte weiter, welche persönlichen Eigenschaften einer Führungskraft für Leadership wichtig seien. Empathie und Einfühlungsvermögen (54 Prozent), klare und offene persönliche Haltung sowie verlässlich und erreichbar zu sein (jeweils 53 Prozent) halten mehr als die Hälfte der Führungskräfte für sehr wichtig. Etwas weniger Nennungen (rund 40 Prozent) erhielten zwei konfliktbezogene Eigenschaften, nämlich Mut zu unpopulären Entscheidungen und sich bei Fehlern vor Mitarbeitende zu stellen.

Enormes Delta

Auf die Frage, inwieweit die direkten Vorgesetzten der befragten Führungskräfte die zuvor angeführten Eigenschaften auch tatsächlich erfüllen, zeigt sich in nahezu allen Bereichen „Entwicklungspotenzial“, wie es die Autoren euphemistisch beschreiben. Während 54 Prozent der Führungskräfte Empathie und Einfühlungsvermögen als sehr wichtige Eigenschaften einstufen, erleben lediglich 32 Prozent der Befragten die eigene Führungskraft als empathisch oder einfühlsam – das bedeutet ein Delta von 22 Prozentpunkten zwischen Erwartung und tatsächlicher Erfüllung.

„Ohne regelmäßigen Abgleich von eigenem Selbstbild und Fremdbild überschätzt man sich gern“, sagt die Leiterin des Hernstein-Instituts, Michaela Kreitmayer. „Im ,daily business‘ kommt dieser jedoch leider häufig zu kurz, weil oftmals andere Themen höhere Priorität haben.“ Empathisch zu sein brauche Zeit und Energie, um sich auf das Gegenüber einzulassen. „In Zeiten erhöhter Beschleunigung, Change und Druck geht die Empathie leider oftmals verloren.“ Und sie merkt an, „dass es auch ein Delta zwischen empathisch sein können und sich die Zeit zu nehmen, empathisch zu sein, geben kann“.

Das Empathie-Dilemma aber sei nicht unauflöslich, sofern es eine Sensibilisierung für die Wichtigkeit gebe. „Wenn wir als Führungskräfte auf die Bedürfnisse der Mitarbeitenden eingehen, können wir auch besser verstehen, was sie brauchen. Oftmals ist es nämlich nicht ein Ratschlag oder eine Lösung, manchmal ist es einfach ,nur­‘ das Gefühl, dass mich das Gegenüber verstanden hat.“ Denn meistens könnten Mitarbeitende ihre Probleme gut selbst lösen, „wenn wir sie als Führungskraft nicht daran hindern, sondern sie mit geeigneten Rahmenbedingungen unterstützen“.

Bei noch einem Thema gab es markante Unterschiede in der Eigen- und Fremdwahrnehmung mit 21 Prozentpunkten: bei der Eigenschaft „Stärken und Schwächen der Mitarbeitenden kennen“, die die Führungskräfte mit 49 Prozent als sehr wichtige Anforderung bezeichnet hatten.

Fest steht für Kreitmayer, dass „Führungskräfte mit ,menschlichem Agieren‘ die Produktivität stark positiv beeinflussen. Menschliche, soziale, faire und transparente Führungsqualitäten werden von Mitarbeitern als deutlich wichtiger erachtet als etwa klare Organisationsstrukturen. Führungskräfte, die sich dessen bewusst sind und ihr tägliches Handeln danach richten, werden auf Dauer die erfolgreicheren sein.“

Noch eine Hausaufgabe

Noch etwas erhoben die Report-Autoren: Gut ein Drittel der Führungskräfte stimmen der Aussage zu, dass Mitarbeitende im Homeoffice arbeiten wollen, weil sie nicht gern ins Büro kommen. Als Gründe für dieses Empfinden zeichnen sich zwei Hauptaspekte ab. Erstens: 35 Prozent der Befragten, die der Aussage zustimmen, meinen, Mitarbeitende wollen lange Arbeitswege vermeiden. Ein Viertel des oberen Managements ist dieser Meinung, im unteren Management sehen das 45 Prozent so. Zweitens: 36 Prozent der österreichischen Führungskräfte orten Ursachen im Arbeitsklima und soziale Gründe, warum sich Mitarbeitende im Büro nicht so wohlfühlen. „Dieser Aspekt“, schreiben sie zusammenfassend, „ist ein Führungsthema.“

Zur Person

Hernstein/Philipp Tomsich

Michaela
Kreitmayer leitet seit November
2016 das Hernstein-Institut, das mit dem „Management-Report“ in Ko­operation mit Triple M regelmäßig Führungskulturen untersucht.

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