Klimapolitik

Effektive Klimapolitik statt affektiver Polarisierung

Ein WKO-Funktionär antwortet auf einen Kommentar eines Klimapolitik-Forschers: „Mit dem moralischen Fingerzeig lässt sich rechtfertigen, dass Klimaschutzmaßnahmen nur eindimensional betrachtet werden.“

Reinhard Steurer unterstellt in seinem am 4. April 2024 veröffentlichten Kommentar, politischen Gruppierungen, Klimapolitik – man könnte sagen aufgrund „böser“ Gesinnung – zu verhindern. Anders können die Anschuldigungen nicht interpretiert werden: von „Klima-Heuchlerei“, „Scheinklimaschutz“, „Realitätsverweigerung“, „unverantwortlichem Klima-Rechtspopulismus“ bis zum Werfen von „Technologie-Nebelgranaten“ ist alles dabei. So sei auch die Wirtschaftskammer schuld daran, dass Klimaneutralität „eine Märchenerzählung“ bleibe, meint Steurer.

»Diese fokussierte Sichtweise schafft definitiv keine gemeinsame Basis für eine effektive Klimapolitik.«

Diese eingeschränkte, auf Gruppierungen fokussierte Sichtweise, schafft definitiv keine gemeinsame Basis für eine effektive Klimapolitik. Sie schafft vielmehr ein moralisches Feindbild, ein Gut-Böse-Denken. Mit dem moralischen Fingerzeig lässt sich rechtfertigen, dass Klimaschutzmaßnahmen oft nicht aus dem Blickwinkel unterschiedlicher gesellschaftlicher Zielsetzungen, sondern nur eindimensional betrachtet werden. Gleichzeitig wird eine kompromisslose Durchsetzung verlangt: das größte Hemmnis in der Politik im Allgemeinen.

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Für eine konsensorientierte Demokratie ist diese affektive Polarisierung desaströs: sie hält uns davon ab, Kompromisse zu schmieden und mit einem breit mitgetragenen Konsens den Rahmen für eine zielgerichtete und effektive Klimapolitik zu schaffen. Wir können in der Klimapolitik jedoch nur dann erfolgreich sein, wenn dafür eine breite gesellschaftliche Unterstützung gewonnen werden kann. Je stärker wir polarisieren, desto schwieriger wird es, konstruktive Lösungen zu den komplexen Herausforderungen der Klimapolitik zu finden.

Eine wirtschaftlich erfolgreiche Transformation lässt sich nicht durch pauschale Verbote und Geboten steuern, sondern vielmehr durch klare allgemeine Regeln und Abbau von Investitionshürden für mehr Klimaschutz. Wenn wir es schaffen, konsequent regulatorische Hürden aus dem Weg zu räumen, erhöhen wir die Innovationskraft der Unternehmen, die gesellschaftliche Problemlösungskompetenz und damit auch den Wohlstand. Mit Technologieverboten erreichen wir genau das Gegenteil und mindern unsere Freiheitsspielräume.

Uns ist schon viel gelungen: mit dem Beschluss über die beiden europäischen Emissionshandelssysteme ist Klimaneutralität bereits zwingend vorgezeichnet. Am Weg dorthin werden wir weiter intensiv über Kosten, Effizienz und Effektivität diskutieren müssen. Das inkludiert die wahrscheinlichen Kosten der globalen Untätigkeit beim Klimaschutz, die potenziellen Kosten der Transformation und die Kosten eines allfälligen Verlusts der Wettbewerbsfähigkeit. Wir müssen alles im Blick behalten, daher brauchen wir gut austarierte Maßnahmenpakete, die sich sowohl klimapolitisch, gesellschaftlich als auch wirtschaftlich lohnen.

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Zum Autor: Jürgen Streitner ist Leiter der Abteilung für Umwelt- und Energiepolitik in der Wirtschaftskammer Österreich (WKÖ)

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