Gastkommentar

Welche Ministerien brauchen wir?

(c) Peter Kufner
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Nach der Nationalratswahl im Herbst werden die Karten neu gemischt, auch was die einzelnen Ressorts betrifft.

Ministerien sind bekanntlich die obersten Staatsbehörden des Landes und ihre Arbeitsfelder sind Spiegelbilder der aktuellen gesellschaftspolitischen Zeit. Sie sollten Prioritäten von Bedürfnissen der Bürger repräsentieren und logisch auch in der Namensgebung sein. Manches davon klang in der Vergangenheit allerdings reichlich skurril, und einiges entbehrt bis heute der einfachen Logik. Wie zum Beispiel ein Sammelsurium namens „Ministerium für Klimaschutz, Umwelt, Energie, Mobilität, Innovation und Technologie“.

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Wir hatten aber auch schon ein „Ministerium für Föderalismus und Verwaltungsreform“. Als ob die Verwaltungsreform ein Dauerzustand der Republik wäre, und es hätte auch nicht „für“, sondern besser „gegen“ den hierzulande alles lähmenden Föderalismus heißen müssen. Besonders, was den Tier- und Naturschutz betrifft, ich weiß, wovon ich rede! Hier folgend deshalb Vorschläge für die Bezeichnung und inhaltliche Sortierung unserer Ministerien im Anschluss an die bevorstehende Nationalratswahl.

Klare Kante zeigen

1. Ein Ministerium der Finanzen und Wirtschaft zukünftig als Einheit. In Österreich heißt es „Ministerium für Finanzen“, in Deutschland korrekterweise „der Finanzen“, wie es übrigens bei uns zur Zeit der Monarchie auch hieß. Denn der Minister hat weder für noch gegen die Finanzen zu sein, er hat sie ordentlich zu verwalten. Delikater klingt es freilich beim Facharzt für Haut- und Geschlechtskrankheiten, sollte er doch eigentlich dagegen sein!

Was nun die Fusion von Finanz- und Wirtschaftsressort betrifft, sei hier auf das Beispiel Deutschland verwiesen. Als größte Wirtschaftsmacht Europas sind dort diese beiden Ministerien einmal schon zusammengelegt worden, und die Fusion hat unter dem damaligen Minister Karl Schiller reibungslos funktioniert.

2. Ein Ministerium des Militärs wäre nomenklatorisch treffender als unnötigerweise zu betonen, dass wir niemanden angreifen wollen. Schließlich ist die verdienstvolle Rettungshilfe unserer Soldaten bei Hochwasser etwa keine „Landesverteidigung“, sondern Bürger- und Güterschutz! Deshalb sollte in der Ressortbezeichnung das Militär auch namentlich als Leistungsträger aufscheinen.

3. Das Ministerium der Justiz bedarf keiner Erklärung.

4. Ein Ministerium des Bürgerwohls wäre treffender als „für Inneres“, was an Innereien oder an die Innere Medizin erinnert, statt an Staatssicherheit und Polizeischutz.

5. Die Bezeichnung Ministerium der Auslandskontakte bezieht sich auf unsere diplomatischen Beziehungen rund um den Globus und unsere Mitwirkung in der Europäischen Union. „Äußeres“ hingegen oder „Auswärtiges Amt“ hört sich an, als befände es sich außerhalb des Landes.

6. Mit Ministerium des Agrar- und Forstwesens sind die durchweg menschengemachten Anpflanzungs- und Produktionsräume gemeint, welche mittlerweile unsere Heimatlandschaften fast zur Gänze beherrschen. Sie liefern uns Nahrung, Baustoff und Heizmaterial zum Eigenbedarf und als Exportartikel.

7. Ein Ministerium der Wissenschaften und Bildung bedarf keiner näheren Erklärung. „Wissenschaft und Forschung“ hingegen, wie das Ressort früher hieß, ist ein Pleonasmus, weil Forschung ein Teil der Wissenschaft ist.

8. Auch Ministerium des Bau- und Verkehrswesen ist ein Spiegelbild unserer künstlichen Landschaftsbilder mit all seinen heiß diskutierten politischen Problemen.

9. Ein Ministerium des Sozial- und Gesundheitswesen sollte sämtliche irdischen Daseinsformen unserer Spezies, wie Kinder, Jugend, Frauen, Familie, Senioren, Generationen, Kranke und Sportler, für die es in unterschiedlichen Kombinationen bereits schon einige Ministerien gab, in ein Ressort integrieren. Kurz und bündig statt wortreich und weitschweifend! Für einige der o. g. Daseinsformen könnten freilich untergeordnete Staatssekretariate verantwortlich zeichnen.

10. Ein Ministerium für Umwelt- und Klimaschutz sollte vom Naturschutz abgekoppelt werden, weil die „Viecherei“ im Schatten vom Menschenschutz zu kurz kommt. Filteranlagen von Atomkraftwerken zum Beispiel oder Abgasmessungen im Stadtverkehr dienen unserem eigenen Wohlbefinden, nicht aber dem Überleben des letzten Blaukehlchens oder Apollofalters etwa. Wenn es heißt, dem Umweltschutz stehen Mittel in Milliardenhöhe zur Verfügung, muss hinterfragt werden, was davon dem Naturschutz übrig bleibt. Keineswegs genug, wie bekannt. Was wir brauchen, ist ein eigenes 11. Ministerium der Natur- und Kulturwerte, auch wenn diese Kombination gewöhnungsbedürftig ist. Sie klingt aber kaum komischer als das gegenwärtige „Ministerium für Kunst, Kultur, öffentlicher Dienst und Sport“.

Ein Blick über den Tellerrand offenbart schließlich Beispiele, die noch viel sonderbarer klingen. Japan etwa hat bereits einen „Minister gegen Einsamkeit und Isolation“ (Koduku-Koritsu-Taisaku-Tanton-Daijin). In Island wiederum spielen nordische Mythen sowohl im Schulunterricht als identitätsstiftend als auch im Fremdenverkehr als Lockmittel eine zentrale Rolle. Es bestehen deshalb Pläne, das hierfür bislang zuständige Staatssekretariat zu einem „Ministerium der Elfen und Gnome des verborgenen Volkes“ (Ráðyuneyti huldufólks, álfkvenna og álfa) auszuweiten!

Wenn bei uns die grandiosen Wiener Philharmoniker zum Neujahrskonzert aufspielen, genießen das rund 45 Millionen Menschen in der ganzen Welt. Und was unsere sechs Nationalparks an emotional-ästhetischen Erlebnissen bieten, sind der zweite Pfeiler dessen, was ein eigenes Ministerium verdient. Vom Großglockner, wo unser Wappenvogel, der Steinadler, majestätisch seine Kreise zieht, bis zum Seewinkel, wo die seltene Großtrappe mit ihrem Balzverhalten fasziniert.

Denken wir außerdem an das Weltkulturerbe Wachau mit dem Donauwalzer als audiovisuelles Gesamtkunstwerk. Oder an das Panoramabild von Hallstatt, welches die Chinesen sogar bei sich zu Hause im gleichen Maßstab nachgebaut haben. All das ist die wahre Größe des kleinen Österreich. Es geht dabei um identitätsstiftende Kunst, Natur und Heimat, für die es in anderen Ländern bereits eigene Ministerien gibt.

Gegen Verscheußlichung

Dass die Hinwendung zum Schönen Auswege aus dem aggressiv-spannungsgeladenen Alltag bietet, hat bereits schon Sokrates in der Antike gelehrt, und Schönheit gegen Verscheußlichung sollte umso mehr unsere Devise heutzutage sein. Prioritäten, die Politiker setzen, spiegeln nicht immer das wider, was notwendig wäre: neben dem Gesundheitsministerium zur Erholung des Körpers eben aktuell auch ein Schönheitsressort zur Genesung der Seele einzurichten. Ein Ministerium des Schönen, um es kurz und bündig zu formulieren. Unser Land hätte es allemal verdient!

E-Mails an: debatte@diepresse.com

Der Autor

Beigestellt

Prof. DDr. Antal Festetics (*1937) studierte Zoologie in Wien und lehrt Wildbiologie an der Universität Göttingen. Er war Begründer des WWF Österreich, Initiator des Nationalparks Neusiedler See und „Hainburg-Kämpfer“ für den Nationalpark Donauauen. Einem größeren Publikum wurde er durch seine TV-Serie „Wildtiere und wir“ bekannt.

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