Fotopreis

World Press Photo 2024: Die Opfer in Gaza

Inas Abu Maamar, hält ihre tote Nichte Saly in einem Krankenhaus im Gazastreifen.
Inas Abu Maamar, hält ihre tote Nichte Saly in einem Krankenhaus im Gazastreifen. MOHAMMED SALEM
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Das Pressefoto des Jahres wurde im Gazastreifen aufgenommen: Mohammed Salem fotografierte eine palästinensische Frau, die ihre tote Nichte in den Armen hält.

Auf die Kür dieses Fotos zum World Press Photos des Jahres dürften Diskussionen folgen: Die Jury des wichtigsten Preises für Pressefotografie hat sich für das Bild von Mohammed Salem entschieden. Es wurde am 17. Oktober 2023 aufgenommen und zeigt die 36-jährige Inas Abu Maamar, die im Nasser-Krankenhaus im Gazastreifen den Leichnam ihrer fünfjährigen Nichte Saly in den Armen hält. Das Kind war bei einem Luftangriff der israelischen Armee getötet worden, ebenso wie dessen Mutter und Schwester. Immer wieder hält Israel der Terrororganisation Hamas vor, Kinder als Schutzschilde zu missbrauchen, um weltweit Entsetzen auszulösen.

Der palästinensische Fotograf beschrieb das Foto nach seinem Erscheinen so: „Ich hatte das Gefühl, dass das Bild den allgemeinen Sinn dessen, was im Gazastreifen passiert, auf den Punkt bringt“, sagte Salem, als das Foto im November erstmals veröffentlicht wurde. „Die Menschen waren verwirrt und rannten von einem Ort zum anderen, weil sie wissen wollten, was mit ihren Angehörigen geschehen war. Dabei fiel mir diese Frau auf, die die Leiche des kleinen Mädchens festhielt und nicht loslassen wollte“, so Salem. Für ihn hat das Bild auch persönlich eine Bedeutung: Erst am Vortag der Fotoaufnahme hatte seine Frau ein Kind geboren.

„Dabei fiel mir diese Frau auf, die die Leiche des kleinen Mädchens festhielt und nicht loslassen wollte“, erzählte Fotograf Salem über sein Bild
„Dabei fiel mir diese Frau auf, die die Leiche des kleinen Mädchens festhielt und nicht loslassen wollte“, erzählte Fotograf Salem über sein BildReuters/MOHAMMED SALEM

Die Jury würdigte Salems Foto als „mit Sorgfalt und Respekt komponiert“. Es biete „gleichzeitig einen metaphorischen und buchstäblichen Einblick in einen unvorstellbaren Verlust“. Die Juryvorsitzende Fiona Shields lobte die große Aussagekraft des Fotos. „Es ist unbeschreiblich bewegend zu sehen und zugleich ein Argument für Frieden, das extrem stark ist, gerade wenn Frieden manchmal wie eine unmögliche Fantasie erscheint.“ Der 39-jährige Salem erhielt die Auszeichnung bereits 2010. Er arbeitet seit 2003 für Reuters.

Vergeben wurden außerdem drei weitere Hauptpreise: für die Fotoserie des Jahres, das Langzeitprojekt und in der offenen Kategorie, bei der auch andere Projekte wie Webseiten berücksichtigt werden.

Leben mit Demenz in Afrika

Lee-Ann Olwage lieferte mit „Valim-babena“ die Photo Story of the Year. Sie thematisiert in ihrer Fotoserie den Umgang mit Demenz in Afrika, insbesondere in Madagaskar, wo die Krankheit oft stigmatisiert wird. „Valim-babena“ heißt die Pflicht, dass sich die erwachsenen Kinder später um ihre Eltern zu kümmern. Olwage porträtierte für „Geo“ hier eine Familie: Der 91-jährige an Demenz erkrankte Dada Paul Rakotazandriny lebt unter anderem mit seiner Enkelin Odliatemix Rafaraniriana zusammen. Die Jury würdigte die Wärme und Zärtlichkeit in den Bildern.

Dada Paul Rakotazandriny (91) und seine Enkelin Odliatemix Rafaraniriana (5) machen sich für die Kirche fertig.
Dada Paul Rakotazandriny (91) und seine Enkelin Odliatemix Rafaraniriana (5) machen sich für die Kirche fertig.Lee-Ann Olwage

Die Migration in den Norden

Die Auszeichnung für das beste Langzeitprojekt ging an Alejandro Cegarra aus Venezuela für seine Serie „The Two Walls“, die in der „New York Times“ bzw. auf Bloomberg erschien. Er fotografiert seit 2018 die Migration nach Mexiko, die inzwischen strenger reguliert ist.

Carlos Mendoza aus Venezuela durchwatet den Rio Grande, um in die USA zu gelangen.
Carlos Mendoza aus Venezuela durchwatet den Rio Grande, um in die USA zu gelangen.Alejandro Cegarra

In der offenen Kategorie siegte Julia Kochetova für ihre Website „War is Personal“, auf der unter anderem Fotojournalismus und ein Kriegstagebuch vereint sind. Sie zeigt in ihrem Projekt nach Darstellung der Jury, wie der Krieg die Menschen täglich persönlich treffe.

Julia Kochetovaa

Er hält die Hand seiner toten Tochter

Ein besonders berührendes Foto aus der Vorselektion bekam keinen der Hauptpreise, wurde aber im Vorfeld als Regionalsieger für den Raum Europa ausgezeichnet: das Foto „A Father‘s Pain“ von Adem Altan. Er hatte es in Kahramanmaraş in der Türkei am Tag nach dem Erdbeben vom 6. Februar 2023 aufgenommen. Darauf ist Mesut Hançer zu sehen, der die Hand seiner 15-jährigen Tochter Irmak hält, die getötet wurde, während sie in ihrem Bett schlief.

Mesut Hançers 15-jährige Tochter Irmak wurde bei dem Erdbeben im Februar 2023 getötet.
Mesut Hançers 15-jährige Tochter Irmak wurde bei dem Erdbeben im Februar 2023 getötet.AFP/ADEM ALTAN

Die Direktorin von World-Press-Photo, Joumana El Zein Khoury, verwies auf die persönliche Bindung der Fotografen mit ihren Themen. „Dies hilft ihnen, uns ein tieferes Verständnis zu vermitteln, das hoffentlich zu Empathie und Mitgefühl führt.“ Sie erinnerte auch daran, dass viele Fotojournalisten mit großem persönlichem Risiko arbeiten müssten und viele Journalisten im vergangenen Jahr durch den Gaza-Krieg getötet wurden.

World Press Photos im Herbst in Wien zu sehen

Insgesamt wurden 33 Fotografen ausgezeichnet. Mehr als 3800 hatten sich mit mehr als 61.000 Fotos am Wettbewerb beteiligt. Alle ausgezeichneten Fotos werden in einer Ausstellung gezeigt, die in mehr als 60 Ländern weltweit zu sehen ist. In Österreich sind die Fotos im Herbst für mehrere Wochen in der Wiener Galerie WestLicht zu sehen. (her/APA)

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