Systemkultur

Die Kultur beschreiben und sagen: „So sind wir“

Systeme verschiedener Größen: Person, Team, Unternehmen, Land, Kontinent.
Systeme verschiedener Größen: Person, Team, Unternehmen, Land, Kontinent.P. Taylor
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Es ist sinnvoll, die Ist-Kul­tur eines Systems festzustellen. Man sollte sie aber nicht mit dem Leitbild verwechseln.

Auf den ersten Blick haben die „österreichische Leitkultur“ und Unternehmenskultur nicht viel gemeinsam. Auf den zweiten Blick sehr viel. Denn, sagt Unternehmens- und Prozessberater Niki Harramach, es geht immer um Systeme, weswegen er auch lieber von Systemkultur spricht. Da gebe es das System Einzelperson, das eine Kultur verkörpere, im beruflichen Kontext ein System Team, ein System Unternehmen, ein System Österreich, ein System Europa: Man könne sich das vorstellen wie eine Schachtel, die in der nächstgrößeren steckt, die wiederum in den nächstgrößeren … und so fort.

Und Harramach räumt mit einer Verwechslung auf: „Der Charakter der Kultur ist der Ist-Zustand. Kultur ist die Summe der Verhaltensweisen in einem System.“ Kultur sei also das, was im jeweiligen System als selbstverständlich erachtet werde. „Kultur ist eben nicht, was man sich wünscht, also ein Leitbild, sondern was ist.“ Und das sei nicht zu verwechseln mit den Werten, die vielfach der Ist-Kultur zugrunde liegen. Werte können eine Idee geben, wie die Wunsch- oder Soll-Kultur aussehen soll. „Werte sind fundamental wichtig“, sagt er, „aber Werte sieht man nicht.“ Und in der Organisationsentwicklung könne man nur mit dem arbeiten, was man auch wahrnehmen kann.

Erst das Ist, dann das Soll

Ein häufiger Fehler in der Kulturarbeit wie in der laufenden Debatte sei, „von der Soll-Kultur bzw. einem Leitbild zu reden, ohne zunächst die Ist-Kultur anzusehen“, meint Harramach, der ab den späten 1980ern ein Trainernetzwerk im CEE-Raum unterhielt und in Vorträgen immer wieder die Österreich-Kultur thematisierte.

Die Ist-Kultur kann man dabei nur durch Wahrnehmen feststellen: Was meinen die Menschen innerhalb des jeweiligen Systems in einer Befragung (ein Fehler sei es, ausschließlich Experten, die Teil des Systems sind, die Kultur bestimmen zu lassen: Es bestehe auch ein Legitimationsproblem und eine Bevormundungsgefahr)? Was lässt sich beobachten (hören, sehen etc.)? Wie funktionieren die Institutionen (wie verlaufen etwa Kommunikationswege)? Was sind die „non-dits“, was wird nicht offiziell gesagt? Wie lauten die Stehsätze? Was ist innerhalb des Systems üblich? Wie sehen Beziehungen aus?

Und, auch das sollte man, sagt Harramach, genau betrachten: Was sind verbotene Gepflogenheiten (etwa Gesetzesübertretungen), die sich als zweckmäßig erweisen?

Es gibt mehrere Gründe, warum es wichtig ist, die Ist-Kultur zu beschreiben. Einer ist, um Menschen, die Teil eines Systems werden, etwa neu ins Arbeitsteam/nach Österreich kommen, Orientierung bieten zu können: So sind wir!

Die Beschäftigung mit der Ist-Kultur, so lautet ein anderer Grund, hilft bei der Selbstreflexion. Allerdings sei es ein Fehler in der Kulturarbeit, im eigenen Saft zu schmoren. Ein Beispiel: Händeschütteln ist in Österreich selbstverständlich und wird nicht hinterfragt – außer es wütet gerade eine Pandemie. International ist Händeschütteln aber keineswegs die einzige Norm. Doch das zeigt erst der Blick von außen.

Feedback sei dabei nichts anderes als ein Fremdbild und damit ein Grundelement in der Selbstreflexivität, sagt Harramach, der auch Mitglied des Arbeitskreises Initiative Unternehmenskultur in der Wirtschaftskammer Wien ist. Es gelte, Fremd- und Selbstbild in Beziehung zu setzen. Das wird komplizierter, je mehr Personen Teil eines Systems sind. Dabei gehe es auch darum, die vielfältigen Eindrücke gemeinsam laufend zu diskutieren, denn sie ließen sich nicht statistisch erfassen oder gar in einem Mittelwert darstellen: „Kultur hat einen weichen Rand.“

Ein dritter Grund, die Ist-Kultur zu erfassen: Ihre Feststellung ist Ausgangspunkt für Maßnahmen auf dem Weg zur Wunsch- oder Soll-Kultur. Die werde, warnt Harramach, „aber lächerlich, wenn sie zu weit von der Ist-Kultur entfernt und damit unerreichbar ist“.

Präsentation und Diskussion der Initiative Unternehmenskultur zur Österreich-Kultur am 13. Mai, 8.30 bis 10 Uhr (WK Wien, Straße der Wiener Wirtschaft 1, 1020). Anmeldungen bis 30. April (http://bit.ly/3W38JVW). Die Teilnehmerzahl ist begrenzt.

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