Politik

Wahlversprechen: „Mehr als heiße Luft“

In Österreich zielen mit 27 Prozent besonders viele Wahlversprechen auf den Wohlfahrtsstaat ab.
In Österreich zielen mit 27 Prozent besonders viele Wahlversprechen auf den Wohlfahrtsstaat ab.Fabry
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Durchschnittlich 60 Prozent der Ankündigungen in den Regierungsprogrammen werden erfüllt, zeigt ein internationaler Vergleich. Künftig will man auch erfragen, wie die Bevölkerung nicht gehaltene Versprechen sieht.

Versprochen ist versprochen und wird nicht mehr gebrochen“, singen schon die Kleinsten. Die Großen wünschen sich wohl Ähnliches, sind aber oft desillusioniert. „Bei Wahlversprechen gehen viele davon aus, dass diese ohnehin nicht halten“, schildert Politikwissenschaftlerin Katrin Praprotnik von der Uni Graz. Tatsächlich würden aber im internationalen Vergleich durchschnittlich 60 Prozent aller Wahlversprechen zumindest teilweise erfüllt. Eine Kluft, die im Fachjargon als „Wahlversprechen-Paradoxon“ bezeichnet wird.

Demokratie besser verstehen

Praprotnik befasst sich im „Comparative Pledges Project“ (CPP) gemeinsam mit mehr als 60 Forschenden aus insgesamt 16 Ländern mit der Umsetzung von Wahlversprechen, wie sie in den Programmen der Parteien formuliert sind. Ziel sei, besser zu verstehen, wie die Mechanismen in repräsentativen Demokratien funktionieren. Dieser Tage kam man in Graz zusammen, um die nächste Publikation zu diskutieren.

»Man versucht zu zeigen, wie es sein könnte, wenn man selbst an der Macht wäre.«

Katrin Praprotnik,

Uni Graz

Bisherige Forschungen, für die rund 20.000 Wahlversprechen in 57 Regierungen von 1974 bis 2016 untersucht wurden, zeigten jedenfalls, dass Parteien pro Wahlprogramm – unabhängig von Ideologie, Regierungsstatus oder -typ – um die 111 Wahlversprechen abgeben. Dabei versprechen Regierungsparteien verstärkt die Beibehaltung des Status quo, Oppositionsparteien Veränderung. „Ich nenne das die „Kampagne der alternativen Politik“: Sie versuchen zu zeigen, wie es sein könnte, wenn sie selbst an der Macht wären“, erläutert Praprotnik.

Größere Koalitionspartner können mehr umsetzen als kleinere. Am meisten realisieren mit einer Mehrheit ausgestattete Einparteienregierungen, aber auch Minderheitsregierung sind – unerwartet – erfolgreich. „Vielleicht muss man sich in Österreich davor also nicht so fürchten, wir haben internationale Beispiele, wo das funktioniert.“

Wirtschaft spielt hinein

In Österreich fand Praprotnik, die sich schon in ihrer Dissertation mit dem Thema befasste, in den Jahren 1990 bis 2013 sogar 153 Wahlversprechen pro Partei und Wahlprogramm – eine zuletzt konstante Zahl. Inhaltlich zielen mit 27 Prozent besonders viele Wahlversprechen auf den Wohlfahrtsstaat ab. Am meisten umgesetzt (73 Prozent) wird aber in der Außenpolitik. Vollständige Legislaturperioden lassen eine Realisierung wahrscheinlicher werden. Hierzulande finden sich mit 55 Prozent eingehaltenen Wahlversprechen aber etwas weniger erfüllte Ankündigungen als im internationalen Durchschnitt.

Die Darstellung, dass in der Politik immer gelogen werde, sei aber jedenfalls zu einfach, so Praprotnik. Die Zahlen zeigten, dass Wahlversprechen mehr seien als „heiße Luft“. Und nicht immer sei die Politik allein schuld, wenn sich ein Versprechen nicht erfüllen lasse: „Es finden sich oftmals sehr nachvollziehbare Mechanismen, warum das so ist“, sagt Praprotnik. So spiele etwa das Wirtschaftswachstum mit hinein.

In einzelnen Ländern gehen die Forschenden nun über die Inhaltsanalyse von Regierungsprogrammen hinaus. In Finnland wurde kürzlich die Bevölkerung befragt, wie akzeptabel es ist, wenn Wahlversprechen gebrochen werden. Für Deutschland ist Ähnliches geplant. Und für Österreich? „Da fehlt noch das Geld“, sagt Praprotnik bedauernd.

Vielleicht verspricht es ja noch jemand im laufenden Superwahljahr.

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