Ständiger Krieg zerstört eine Gesellschaft: Das ist das Fazit des israelischen Schriftstellers Lavie Tidhar in seinem ebenso faszinierenden wie wohl polarisierenden Roman „Maror“.
Es gibt wahrscheinlich keinen besseren Zeitpunkt, um ein Buch wie „Maror“ zu lesen, als jetzt, auf jeden Fall gibt es keinen heikleren: Der israelische Schriftsteller Lavie Tidhar rechnet auf 640 Seiten mit der Politik seines Landes ab. Er zeigt, wie eine Gesellschaft, in der Krieg zum Alltag zählt, nach und nach ihre Abwehrkräfte gegen Gewalt verliert und auf jeder Ebene von Brutalität und Korruption durchsetzt wird. „Maror“ erschien im englischen Original bereits 2022, stößt aber direkt in die Wunden, die seit dem Terrorangriff der Hamas am 7. Oktober 2023 und der Reaktion Israels offener klaffen denn je.
„Maror“ – der Begriff bezeichnet die bitteren Kräuter, die zu Pessach unter anderem auf den jüdischen Seder-Teller gehören – ist ein beeindruckendes Kaleidoskop der Gewalt, im politischen wie im privaten Bereich. Lavie Tidhar, der sich mit Science-Fiction einen literarischen Namen gemacht hat, stellt seinen ersten realistischen Roman in die Tradition des „Noir“-Krimis, die mit Dashiell Hammett begonnen hat und von James Ellroy oder Don Winslow zur Meisterschaft gebracht wurde. Gangster und Polizisten sind darin oft nicht leicht voneinander zu unterscheiden.