Korruptionsverdacht

Eine spektakuläre Verhaftung im russischen Verteidigungsministerium

Vize-Minister Timur Iwanow am Mittwoch im Gerichtssaal.
Vize-Minister Timur Iwanow am Mittwoch im Gerichtssaal.Reuters / Moscow City Court
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Sergej Schoigus Vize, Timur Iwanow, soll sich an Bauaufträgen für das Ministerium bereichert haben. Er galt als einer der reichsten Beamten Russlands. Die Entfernung des „Problem-Militärs“ kommt kurz vor dem erwarteten Regierungsumbau. In der kriegsgeplagten Ukraine steht der Agrarminister unter Korruptionsverdacht.

Am Dienstagvormittag nahm der russische Vize-Verteidigungsminister Timur Iwanow noch an einer wichtigen Sitzung seines Ministeriums teil. Wenige Stunden später nahmen Beamte des Inlandsgeheimdienstes FSB Iwanow in seinem Büro fest. Das berichtet das russische Medium RBK, das sich auf eine ungenannte Quelle beruft.

Untersuchungshaft verhängt

Iwanow, der seit 2016 einer der Stellvertreter von Verteidigungsminister Sergej Schoigu ist, wurde wegen Korruptionsverdacht verhaftet. Er ist für den Bau militärischer Einrichtungen zuständig. Iwanow wird der Annahme von Bestechungsgeldern „in besonders großem Umfang“ in Zusammenhang mit Bauaufträgen für das Verteidigungsministerium beschuldigt, teilte die Ermittlungsbehörde am späten Dienstagabend mit. Iwanow bestreite seine Schuld, berichtete die russische Nachrichtenagentur Tass.

Es ist einer der hochrangigsten Korruptionsfälle in Russland seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine. Am Mittwoch wurde in russischen sozialen Medien ein Video veröffentlicht, das Iwanow in seiner Militäruniform im Gerichtssaal zeigt. Über Iwanow wurde Untersuchungshaft bis vorerst 23. Juni verhängt. Gemeinsam mit ihm wurde ein mutmaßlicher Komplize, laut Medien ein Freund Iwanows, verhaftet. In anderen russischen Regionen soll es zu Hausdurchsuchungen in Zusammenhang mit dem Fall gekommen sein.

Verantwortlich für Wiederaufbau von Mariupol

Russische Medien berichteten, dass Iwanow unter anderem für große Bauprojekte zum Wiederaufbau der ostukrainischen Stadt Mariupol zuständig war, die im Zuge des russischen Einmarsches in die Ukraine schwer bombardiert und von Russland eingenommen wurde. Er verantwortete weiters den Bau der pompösen Kirche der russischen Streitkräfte im patriotisch-militärischen Vergnügungspark „Patriot“ und andere Bauvorhaben des Ministeriums. Ihm drohen demnach bis zu 15 Jahre Haft. Er sei wahrscheinlich der ranghöchste russische Staatsvertreter, gegen den seit der Ukraine-Invasion im Februar 2022 solche Vorwürfe erhoben wurden.

Iwanow ist seit acht Jahren im Amt. Er arbeitete in Brennstoff- und Energieunternehmen sowie in der Moskauer Regionalregierung, bevor er 2010 ins Verteidigungsministerium kam. Die Zeitschrift Forbes führte den Experten für Kybernetik und die Atomindustrie als einen der reichsten Personen in den russischen Sicherheitsstrukturen. 2022 prangerte die Antikorruptionsstiftung des in Haft verstorbenen russischen Oppositionsführers Alexej Nawalny an, dass Iwanow und seine Familie einen verschwenderischen Lebensstil mit Ausgaben für Immobilien, luxuriöse Reisen und Designerkleidung führen würden.

Was bedeutet die „Entfernung“ des Schoigu-Vertrauten?

Dass sich russische Behördenvertreter bereichern, ist an sich keine Seltenheit. Der Fall Iwanow wirft die Frage auf, warum ausgerechnet er gemaßregelt wird und warum es ausgerechnet jetzt zu einer Verhaftung kommt. Iwanow gilt als Vertrauter von Minister Sergej Schoigu. Das russische Internetmedium Medusa stellte Iwanows „Entfernung“ in Zusammenhang mit einem möglichen Abtritt des Verteidigungsministers. Nach der offiziellen Amtseinführung von Wladimir Putin am 7. Mai wird ein Regierungsumbau erwartet. Die Verhaftung kann als Signal an die Öffentlichkeit verstanden werden, dass mit „Problemfällen“ in der Beamtenschaft aufgeräumt wird. Gerade das Verteidigungsministerium steht aufgrund des Ukraine-Kriegs immer wieder als Hort von falschem Management und Bürokratentum in der Kritik. Auch eine Fehde zwischen den miteinander konkurrierenden Armen des russischen Sicherheitsapparats kann nicht gänzlich ausgeschlossen werden.

Auch die ukrainische Regierung wird von einem Korruptionsfall erschüttert. Landwirtschaftsminister Mykola Solskij wird Berichten zufolge der Korruption verdächtigt. Laut dem nationalen Antikorruptionsbüro habe sich ein Minister staatliche Grundstücke im Millionenwert angeeignet. Zusammen mit anderen Beteiligten habe der Ex-Vorsitzende des Agrarausschusses 1250 Grundstücke mit einer Fläche von knapp 2500 Hektar in seinen Besitz gebracht, teilte das Büro am Dienstag mit. Mehrere Medien meldeten, dass es sich dabei um Solskij handle.

Ukrainischer Agrarminister unter Korruptionsverdacht

Den Angaben nach wurden zwischen 2017 und 2021 Grundstücke eines staatlichen Unternehmens im nordukrainischen Gebiet Sumy an neue Eigentümer übertragen. Solskijs Agrarholding erhielt diese dann zur Nutzung. Neben dem Minister werden auch Mitarbeiter des Katasteramts der Korruption verdächtigt. Der Versuch, sich weitere mehr als 3200 Hektar anzueignen, sei verhindert worden.

In einer vom Agrarministerium in sozialen Netzwerken verbreiteten Stellungnahme wies der Minister die Vorwürfe zurück. Gleichzeitig räumte er ein, dass er als Anwalt in den Jahren 2017-2018 in einem Streit zwischen Staatsunternehmen und physischen Personen um Land tätig war. Hier seien noch Gerichtsverfahren anhängig. „Von meiner Seite garantiere ich absolute Transparenz für die Feststellung der Wahrheit“, schrieb der Jurist.

Solskij war 2019 bei den von Präsident Wolodymyr Selenskij eingeleiteten vorgezogenen Parlamentswahlen über die Liste der Präsidentenpartei in das Parlament gelangt. Der Jurist leitete von 2019 bis zu seiner Ernennung als Agrarminister im März 2022 den Agrarausschuss. Er ist der erste Minister der Regierung von Präsident Wolodymyr Selenskij, der in einem Korruptionsfall als Verdächtiger genannt wird. Seit Tagen wird in ukrainischen Medien über die Entlassung mehrerer Minister spekuliert, darunter auch Agrarminister Solskij. (Reuters/APA/som)

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