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China lockert strenge Datenpolitik für ausländische Konzerne

Seit einigen Wochen sperrt sich die kommunistische Führung nicht mehr prinzipiell dagegen, dass ausländische Firmen in China erhobene Daten ins Ausland transferieren dürfen. 
Seit einigen Wochen sperrt sich die kommunistische Führung nicht mehr prinzipiell dagegen, dass ausländische Firmen in China erhobene Daten ins Ausland transferieren dürfen. APA / AFP / Str
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Peking steuert im Ringen um ausländische Firmen um. Ausländische Firmen
dürfen nun mehr Daten aus China transferieren, vor allem für Auto- und
Maschinenbaukonzerne ist das eine wichtige Maßnahme.

Als der deutsche Verkehrsminister Volker Wissing am Dienstag vergangener Woche in Peking eine Absichtserklärung zur Zusammenarbeit beim autonomen Fahren unterzeichnete, ließ sich an den dürren Worten der Presseerklärung die Bedeutung nicht ablesen. Aber dahinter steckt nach Ansicht von Experten eine grundsätzlich neue Haltung Chinas im Umgang mit Daten - dem strategischen Schatz im digitalen Zeitalter.

Seit einigen Wochen sperrt sich die kommunistische Führung nicht mehr prinzipiell dagegen, dass ausländische Firmen in China erhobene Daten ins Ausland transferieren dürfen. Davon könnten etwa deutsche Maschinenbau- und Autokonzerne profitieren. Andere warnen dagegen vor Leichtgläubigkeit im Umgang mit China - der Datentransfer bringe neue Sicherheitsrisiken mit sich.

Unternehmen kritisieren fehlenden Datentransfer

Bisher hatte die Führung in Peking etwa im Bereich des autonomen Fahrens darauf gepocht, dass ausländische Firmen ihre in China erhobenen Daten auch in China speichern müssen. 2022 verschärfte sie mit dem Hinweis auf die nationale Sicherheit generell die Regeln für den Transfer von Daten ins Ausland, was auf deutliche Kritik und Verärgerung ausländischer Unternehmen und der Europäischen Handelskammer in China stieß. Gerade für global aufgestellte deutsche Unternehmen ist ein Datentransfer sehr wichtig.

Aber schon im September vergangenen Jahres gab es erste Lockerungen. Im Februar erlaubte die Wirtschaftsmetropole Shanghai dann eine Beschleunigung des Datentransfers ausländischer Firmen aus den großen Freihandelszonen heraus. Und am 22. März veröffentlichte die CAC (Cyberspace Administration of China) neue Regeln für den grenzüberschreitenden Datentransfer. Daten, die etwa im internationalen Handel gesammelt werden und keine persönlichen Informationen oder „wichtige Daten“ enthalten, werden von der Meldepflicht ausgenommen, entschied die Behörde.

„Das ist keine generelle Erlaubnis für den Transfer von Maschinendaten, sondern eine Präzisierung“, erläutert Fridolin Strack, Geschäftsführer des Asien-Pazifik-Ausschusses (APA) der Deutschen Wirtschaft. „Während zuvor die Definition unklar war, wird nun aber durch die neuen Regularien festgelegt, dass nur solche Daten zu den “wichtigen' zählen, die von Sicherheits- und anderen Behörden in öffentlichen Verlautbarungen als solche definiert werden„, fügt er hinzu. Der APA sieht dies als großen Fortschritt, weil für Unternehmen nun transparenter werde, für welche Daten sie ein sogenanntes Data Security Assessment durchlaufen müssen. “Unsere Mitglieder sahen sich häufig veranlasst, im Zweifelsfall 'wichtige' Daten eher möglichst breit zu definieren, um sichergehen zu können, dass die gesetzlichen Anforderungen erfüllt sind„, sagt Strack.

Regelung wirtschaftlich nicht haltbar

Die Gründe für den Wandel liegen für die Daten-Expertin des China-Thinktanks Mercis, Rebecca Arcesati, auf der Hand: „Chinas Wirtschaftswachstum hat sich verlangsamt“, sagt sie zu Reuters. „Ich denke, dass die Behörden, ganz gleich wie sicherheitsbewusst sie sind, erkannt haben, dass diese alte Regelung langfristig nicht haltbar ist.“ Denn das Land braucht ausländische Investitionen. Diese sind im vergangenen Jahr allerdings erstmals seit mehr als einem Jahrzehnt gesunken - nach den Daten des chinesischen Handelsministeriums auf 1,13 Billionen Yuan (146 Mrd. Euro).

Dazu kommt der Wunsch chinesischer Firmen, den Automarkt in Europa zu erobern. „Die chinesische Regierung fängt an zu verstehen, dass sie mit ihren Autos, die Daten nach China übermitteln, nicht auf dem deutschen Markt vordringen kann, wenn sie europäischen Autoherstellern nicht gleichzeitig erlaubt, Daten aus China nach Europa zu übertragen“, heißt es in Regierungskreisen.

Deshalb ist der Zeitpunkt der Unterzeichnung der Absichtserklärung zum autonomen Fahren mit Deutschland kein Zufall. Verkehrsminister Wissing fordert ebenso wie Kanzler Olaf Scholz „fairen Wettbewerb“. In Berlin glaubt man derzeit einen politischen Hebel in der Hand zu haben. „Wir werden sehen, wie weit die Öffnung gehen wird“, heißt es in der deutschen Regierung.

Zugriff auf Big Data soll Wettbewerbsnachteile wettmachen

Dabei geht es laut Mercis-Expertin Arcesati aber nicht nur darum, Daten ins Ausland zu übersenden. „Ich habe von der Industrie gehört, dass ein besonderes Interesse auf dem chinesischen Markt darin besteht, auf lokale Datenpools in gleichem Maße zugreifen zu können wie lokale Unternehmen“, sagt sie. Der Zugriff auf Big Data soll andere Wettbewerbsnachteile auf dem chinesischen Markt zumindest teilweise wettmachen.

Gerade für Autokonzerne klingt dies nach einer positiven Entwicklung. Konzerne wie Mercedes, BMW oder VW erforschen autonomes Fahren nicht nur in China, sondern auch in den USA oder Europa. „Es wird einige Datenströme geben, die Ingenieure hier in Deutschland für ihre Arbeit einfach benötigen“, meint Arcesati.

Das Problem: Ein verstärkter Datentransfer läuft der Tendenz zur Lokalisierung entgegen. Wegen der geopolitischen Spannungen und protektionistischen Tendenzen auch in den USA koppeln viele Firmen gerade ihr China-Geschäft Schritt für Schritt von ihren internen Strukturen ab. Für den Fall von Sanktionen gegen China nach einem Angriff auf Taiwan will man den Schaden für das eigene Unternehmen begrenzen und Abhängigkeiten reduzieren - was angesichts des riesigen Markts in China aber schwierig ist.

Der Verfassungsschutz warnte deutsche Firmen am Mittwoch in harschen Worten, dass es China immer nur um Dominanz gehe. Angesichts der neuen Spionage-Vorwürfe gegen China stellt sich die Frage, ob ein verstärkter grenzüberschreitender Datenaustausch nicht neue Sicherheitsrisiken birgt. Der Chef eines DAX-Konzerns sagte Reuters zwar, dass man wohlweislich Vorkehrungen treffen werde. Aber Grünen-Co-Fraktionschefin Katharina Dröge warnt vor Naivität: „Da wird es im Detail darauf ankommen, dass da keine sensiblen Informationen geteilt werden und zur Verfügung gestellt werden.“

Datenerhebung könnte zum Problem werden

Tatsächlich kann schon die Datenerhebung in China selbst ein Problem sein: „Ich denke an ein mögliches Szenario, in dem chinesische Behörden zu Überwachungszwecken auf Gespräche im Fahrzeug zugreifen wollen - etwa BMW oder ein anderes deutsches Unternehmen müsste diese Daten dann weitergeben“, meint Arcesati. Ohnehin gibt es in Industriekreisen zumindest teilweise Zurückhaltung. „Es ist noch zu früh, um zu beurteilen, was die Entscheidung der CAC vom 22. März wirklich bedeutet. Ein neues Gesetz an sich sagt noch nicht viel aus. Wir müssen sehen, was es in der Realität bedeutet“, sagte eine Quelle aus der Maschinenbaubranche.

Merics-Expertin Arcesati hat noch andere Bedenken: Es sei zwar gut, dass deutsche Unternehmen, die Bundesregierung und die EU versuchten, transparente und nicht-diskriminierende Regeln auf dem chinesischen Markt durchzusetzen. Aber sie sei nicht sehr optimistisch, was den Erfolg angehe. „Die chinesische Regierung sieht die Nutzung von Daten zunehmend als industriepolitisches Instrument“, betont sie mit Blick auf die Nutzung von Big Data durch die in China weit fortgeschrittene Künstliche-Intelligenz-Technologie. Der Schwerpunkt liege auf der Förderung einheimischer Innovationen - damit chinesische Unternehmen später ausländische Konkurrenten ersetzen könnten. (APA/Reuters)

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