Stadtentwicklung

Grätzel, Quartiere, Gegenden: „Hier muss ein roter Faden erkennbar sein“

Auf rund elf Hektar Projektfläche wächst „Village im Dritten“, ein Quartier der ARE.
Auf rund elf Hektar Projektfläche wächst „Village im Dritten“, ein Quartier der ARE.Squarebytes
  • Drucken

Wenn neue Viertel wie ein urbanes Ökosystem funktionieren, ist das gut für die Stadt. Und spannend für gewerbliche Investoren.

Grätzel, Quartiere, Gegenden: Wie immer man Teile einer Stadt nennen will, die sich durch eine eigene Identität auszeichnen – sie sind ein wichtiger Faktor für das urbane Funktionieren. „Die früheren sozio-ökonomischen Kennungen wie Arbeiterbezirk, bürgerlicher Bezirk, Nobelbezirk haben sich zwar nicht aufgelöst, aber nicht mehr die Wertigkeit von früher“, meint Winfried Kallinger, Geschäftsführer Kallinger Projekte. Nun entstehen neue Stadtquartiere, die um die Aufmerksamkeit der Bewohner und Unternehmen buhlen – und um die der Investoren. Dabei ist „ein wesentlicher Erfolgsfaktor, ein Quartier als großes Ganzes mit all seinen Wirkungen auf die Umgebung zu denken. Und nicht als eine Ansammlung einzelner Häuser“, erklärt Gerd Pichler, Leiter Projektentwicklung ARE Austrian Real Estate. Das gilt sowohl für große Städte als auch im kleineren Umfeld. So arbeitet Kallinger Projekte an der Neugestaltung eines 2,5 Hektar großen alten Industrieareals in Traiskirchen. Ein Mix aus Wohnen, Gewerbe, Kultur soll die aus der Zeit gefallene Industriestruktur ersetzen.

Werkstatt für Planung

„Wenn das Thema Quartier ernst genommen wird, lassen sich tatsächlich viele Probleme im urbanen Raum zumindest entschärfen“, sagt Gerhard Schuster, Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 Aspern Development AG: „Ein intelligent geplantes Quartier trägt zur Ressourcenschonung bei.“ Wichtig sei, dass die einzelnen Projekte innerhalb der Quartiere in Beziehung zueinander stehen, nicht zuletzt, weil sie sich die dazwischen liegenden Freiräume teilen. Um dies sicherzustellen, arbeitet man in der Seestadt „seit einigen Jahren mit den Bauträgern in einer fortlaufenden Quartierswerkstatt, die je nach Stadium der Projekte unterschiedliche Schwerpunkte und Besetzung hat“, berichtet Schuster. Hier werden städtebauliche oder technische Planungs­themen ebenso besprochen wie aufeinander abgestimmte Nutzungen und alle Arten von Infrastruktur bis hin zur Nahversorgung: „Aktuell beschäftigen wir uns in der Seestadt besonders intensiv mit Energiequartierslösungen.“

»Ein intelligent geplantes Quartier trägt zur Ressourcenschonung bei.«

 Gerhard Schuster

Vorstandsvorsitzender der Wien 3420 Aspern Development AG

In der Quartiersentwicklung nehmen die ÖBB eine Sonderstellung ein: Die Flächen gehören trotz ihres großen Volumens nur einem Grundeigentümer, in vielen anderen Entwicklungsgebieten gibt es verschiedenste Bauträger und Investoren. Deren einzelne Zielsetzungen können naturgemäß andere sein als die eines ganzheitlichen Liegenschaftsentwicklers wie der ÖBB. „So ist es deutlich leichter, überge­ordnete Ziele in ein Projekt einzubringen, wie zum Beispiel ein Mobi­litätskonzept, Überlegungen zur Sockelzonennutzung, aber auch Konzepte zu einer nachhaltigen Ener­gieversorgung eines Areals sowie einer nicht nur von reinen Wirtschaftlichkeitsüberlegungen getriebenen Qualitätssicherung“, meint Claudia Brey.

Für die Geschäftsführerin der ÖBB-Immobilienmanagement ist das besonders wichtig, da eine stringente Übertragung von Qualitäten auf Käufer und Baurechtsnehmer zentral für das Gelingen einer Quartiersentwicklung ist: „Hier muss ein durchgängiger roter Faden erkennbar sein.“ Gleichzeitig sind in Abstimmung mit der Standortgemeinde bereits frühzeitig Festlegungen über öffentliche Einrichtungen wie Kindergärten, Schulen, Mobilitätsangebote, Grünflächen oder eine zentrale Energieversorgung möglich. Das macht einerseits die Anforderungen für Bauträger aufgrund vieler übergeordneter Rahmenbedingungen deutlich komplexer, „andererseits ist das Mitentwickeln großer Quartiere auch für die Bauträger etwas Besonderes und eine Herausforderung“, meint Brey.

Große Investoren interessiert

Der Aufwand lohnt sich aber in vielen Fällen für Developer, denn „für die institutionellen Investoren sind Immobilien in einem Quartier interessanter“, sagt Pichler. Gründe dafür: die Einbettung in einen städtebaulichen Masterplan sowie die umfassende Auseinandersetzung mit Nachhaltigkeit und Trends der Stadtplanung bzw. -entwicklung. Sie könnten hier von den positiven Entwicklungen, die ein Quartier für das Umfeld mit sich bringt, profitieren. Für Anton Bondi, Geschäftsführer von Bondi Consult, bestätigen dies seine Erfahrungen im TwentyOne: „Wir können in laufenden Gesprächen erkennen, dass insbesondere für große internationale Investoren einer Quartiersentwicklung gegenüber einer alleinstehenden Lösung regelmäßig der Vorrang gegeben wird.“ Die Attraktivität des einzelnen Objektes steigt durch die Vielzahl der angebotenen Möglichkeiten. Zudem ist bei Ausfall eines großen Mieters die Nachvermietung der Flächen einfacher als bei einer alleinstehenden Immobilie.

Dazu kommt, dass Quartiere auch als „Marke“ gesehen werden. Sie fungieren einerseits als Marketingtool, andererseits „ist empirisch messbar, dass ein positives Image des Quartiers in den sozialen und klassischen Medien die Interessensschwelle von potenziellen neuen Kunden des Quartiers gegenüber No-Name-Produkten maßgeblich erhöht“, erläutert Bondi. Aus der Stadtentwicklung sind Quartiere jedenfalls nicht mehr wegzudenken. Und künftig werden sie nicht nur auf der grünen Wiese oder ausschließlich auf Brachflächen entstehen, „sondern in bestehende Strukturen integriert werden müssen“, bekräftigt Pichler.

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.