Analyse

IV-Forderung nach mehr Arbeitszeit legt SPÖ Elfmeter auf

Werden wir künftig länger oder kürzer arbeiten? Die Industrie und die SPÖ verfolgen zwei entgegengesetzte Denkweisen.
Werden wir künftig länger oder kürzer arbeiten? Die Industrie und die SPÖ verfolgen zwei entgegengesetzte Denkweisen.Morsa Images
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SPÖ-Chef Andreas Babler vertritt das genaue Gegenteil von dem, was sich die Industriellenvereinigung vorstellt. Ihre Forderung nach längerer Arbeitsdauer ist eine Steilvorlage für den roten Wahlkampf.

Die Emotionen gehen weiter hoch in der Debatte um die Arbeitszeit. Der seit Anfang der Woche kursierende Vorschlag der Industriellenvereinigung (IV), die angesichts der sich ankündigenden Wohlstandsbedrohung ein „bewusstes Signal“ setzen wollte und sich justament für eine 41-Stunden-Woche aussprach, sorgte am Donnerstag für zahlreiche Gegenreaktionen innerhalb der Sozialdemokraten. Die zum Teil widersprüchlichen Signale, die dazu aus der ÖVP erfolgten, wurden ebenfalls kritisiert. Für die SPÖ ist die Debatte ein willkommener Elfmeter, den sie im beginnenden Wahlkampf Richtung ÖVP gern aufnimmt.

Bei einem Pressegespräch hatte IV-Generalsekretär Christoph Neumayer ein „bewusstes Signal“ setzen wollen und sich für längere Arbeitszeiten ausgesprochen. Gewerkschafter mit Rückenwind aus der Löwelstraße rufen nun zum Frontalangriff. Andreas Babler tritt als SPÖ-Chef am lautesten für das genaue Gegenteil ein, nämlich für eine Verkürzung der wöchentlichen Arbeitszeit. Sie zählt zu seinen Kernforderungen, seit er die SPÖ im Vorjahr übernommen hat. Schrittweise soll sie auf bis zu 32 Stunden sinken. Wenig überraschend fällt die Reaktion seiner Partei aus: Am Donnerstag rückte nach GPA-Chefin Barbara Teiber und dem SPÖ-Bundesgeschäftsführer Klaus Seltenheim auch SPÖ-Sozialsprecher und FSG-Chef Josef Muchitsch aus. Wenige Stunden nach der Auszählung der Arbeiterkammer-Wahl nannte er die IV-Idee einen „Eingriff in die Geldtaschen der Menschen“ und damit einen „Lohnraub per Gesetz“. Dass der Wirtschaftsstandort damit gestärkt werden könne, sei „Schwachsinn“.

Grüne und FPÖ dagegen

Angeheizt worden war die Debatte vor allem durch die teilweise widersprüchlichen Signale aus der Volkspartei. Zunächst zeigte sich Verfassungsministerin Karoline Edtstadler (ÖVP) am Dienstag von der Idee angetan, ruderte aber noch am selben Tag zurück. Kanzler Karl Nehammer (ÖVP) betonte am Mittwoch, dass das für ihn „fix nicht infrage“ komme. Genauso halte er die Verkürzung auf eine 32-Stunden-Woche „für den völlig falschen Weg“. Edtstadler „präzisierte“, dass sie dem Vorstoß nichts abgewinnen könne. Das aber will man in der SPÖ nicht glauben. Muchitsch betonte, dass die ÖVP immer dann, „wenn vielleicht eine Maßnahme etwas überschwänglich ist (...)“, zurückrudere. Und: „Wenn sich Blau-Schwarz nach der Wahl ausgehen würde, dann wissen wir, was da kommen wird.“

Der grüne Vizekanzler, Werner Kogler, erteilte der Idee ebenfalls eine Absage. „Ich bin sonst ein Freund von Primzahlen, aber 41 ist keine gute Zahl für Arbeitszeit“, sagte er am Donnerstag bei der Präsentation der grünen EU-Wahlkampagne (siehe Artikel Seite 8). Das stehe ohnehin nicht zur Debatte: „Der Bundeskanzler hat gestern gesagt: ,fix nicht‘. Klingt gut, oder?“ Langfristig gehe es in die andere Richtung, nämlich Richtung Verkürzung der Arbeitszeit.

Wifo-Chef Felbermayr: „Nicht hilfreich“

Auch die FPÖ lehnt die Ausweitung ab. Sie nahm die Debatte einmal mehr zum Anlass, Kritik an der Regierung zu üben: „Die Bundesregierung samt Nehammer, Kogler, Edt­stadler und Co. soll nicht mehr Arbeit einfordern, sondern nach vier Jahren Wohlstandsvernichtung endlich selbst zu arbeiten beginnen“, ließ die freiheitliche Sozialsprecherin, Dagmar Belakowitsch, wissen.

Aus Expertensicht richtete man bezüglich der gesamten Debatte schon am Mittwoch aus, dass sie „wenig hilfreich“ sei, wie etwa Wifo-Chef Gabriel Felbermayr betonte. Wichtig sei vielmehr, dass die geleisteten Arbeitsstunden in Österreich mit der Bevölkerungsentwicklung mitwüchsen. Und: Das Problem der hohen Teilzeitquote müsse endlich angegangen werden. Felbermayr plädiert für „Vollzeit-Anreize“, unter anderem eine Senkung der Lohnnebenkosten.

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