Glaubensfrage

Sieht so die neue kirchliche Avantgarde aus?

Weltjugendtag in Lissabon im Sommer 2023.
Weltjugendtag in Lissabon im Sommer 2023. Imago/Ipa/abaca
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Seit dem Kommunistischen Manifest ist doch schon einige Zeit vergangen. Topaktuell gesellt sich dazu ein Laienmanifest. Füllt es eine Lücke, die nie bestanden hat?

Die gute Nachricht zum Sonntag: Meldungen über das Ableben der Laienorganisationen sind verfrüht. Es gibt sie noch, die verschiedensten Gliederungen, Gruppierungen und versprengten Grüppchen, allesamt historisch gewachsen.

Das sieht man ihnen auch von sehr Weitem an („Frauenbewegung“, „Männerbewegung“ etc.). So mancher Bischof hat in den vergangenen Jahrzehnten versucht, eine unbequeme Katholische Aktion (KA) kleinzureden, kleinzumachen und klein zu finanzieren, teilweise mit Erfolg. Selbst aktuell gibt es im St. Pöltner Reich des Alois Schwarz Probleme. „Es ist erschütternd“, beschreibt ein Insider die dortige Lage. Schon wieder Alois Schwarz also. Er ist jener österreichische Bischof, der zuerst in Kärnten, jetzt in Niederösterreich Kritik und Protest wie ein Magnet anzieht. Muss sich wohl um besonders bösen Zufall handeln, dass es ausgerechnet ihn immer trifft.

Wie auch immer, am 9. Mai feiert die Katholische Aktion Österreich, „eine von den österreichischen Bischöfen zum Laienapostolat berufene kirchliche Einrichtung“, wie es in der Statut-Präambel heißt, 75. Geburtstag. Happy Birthday! Und zur Feier des Anlasses wurde erst vor wenigen Tagen ein Manifest beschlossen, worüber Sie weltexklusiv an dieser Stelle informiert werden.

Es ist mit seinen zweieinhalb Seiten deutlich schlanker als das – um nur ein besonders bekanntes Exemplar zu nennen – Kommunistische Manifest von Marx und Engels. Vom „Bollwerk“ zum „Pilgern im Jetzt“ lautet die selbst genannte Stoßrichtung. Man lade „in der Spur Jesu“ dazu ein, „die Idee des guten Lebens für alle in Gesellschaft, Politik und Kirche wachzuhalten“. Wachhalten nur, nicht mehr? Gutes Leben also. Nun gut, unkonkreter geht es kaum.

Unter den Kapitelchen „Gerechtigkeit, Demokratie und Teilhabe“ sowie „Solidarität global“ wird es konkreter und politisch. Die Gefährdung der Demokratie wird angesprochen, aber lediglich „durch ökonomische Ungleichheit“ begründet. Ob dieser Ansatz nicht kurzgreift? Andere Probleme wie steigende Frauen- und Kinderarmut, strukturelle Benachteiligung von Frauen und Missbrauch werden genannt. Ein „Umdenken“ und „konkrete Maßnahmen“ (welche?) werden gefordert.

Dass sich die Laien für eine synodale Kirche und indirekt auch die Frauen-Priesterweihe aussprechen, überrascht jetzt nicht. Vielleicht einer für die Gesellschaft wichtigsten Sätze gegen Ende: „Für die Katholische Aktion ist ein Kompromiss keine Niederlage, sondern eine bewährte Problemlösung nach intensiven Diskussionen und Verhandlungen.“

Insgesamt will die Laienorganisation „Avantgarde für eine neue kirchliche Präsenz in der Gesellschaft sein“. Träume sind nicht verboten. Nicht triumphalistisch, mit einer gefundenen Wahrheit in Händen, tritt hier eine Organisation ans Licht, sondern fast kleinlaut, zaghaft, bescheiden. Vielleicht tatsächlich avantgardistisch, als neuer Habitus von Kirche.

Als Bonus für alle, die bis hierher gelesen haben, eine weitere gute Nachricht zum Sonntag: In der Steiermark ist für Dienstag (in jüngerer Vergangenheit als „Tag der Arbeitslosen“ vor dem „Tag der Arbeit“ etikettiert) eine Aktion geplant, die in ihrer Schlichtheit betört. Nach einer Idee des Fonds für Arbeit und Bildung in Bischof Wilhelm Krautwaschls Grazer Diözese werden Arbeitslose in allen steirischen AMS-Regionalstellen überrascht. An sie werden 2000 Rosen verteilt.

Gesten wie diese müssen nicht lang theologisch erklärt werden, stehen für sich. Als Best-Practice-Beispiel für das Handeln von Kirche im Heute. Diese Rosen sagen mehr als tausend Predigtworte.

dietmar.neuwirth@diepresse.com

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