Auf Achse

Der ungleiche Kampf um den Platz an der Sonne

Wer erleben will, wie sonnenhungrige Zuzügler die Alteingesessenen verdrängen, muss nicht auf die Kanaren fliegen. In und um Lissabon treiben vor allem US-Amerikaner die Preise. Wer mit Portugiesen spricht, trifft auf wachsenden Unmut.

Es war eine Stunde vor Sonnenuntergang, als eine Gruppe junger Männer ein paar Linien in den Sand zog. Danach besprachen sie Formationen, riefen Kommandos auf Englisch, blockten, liefen, warfen sich Pässe zu. Keine ungewohnte Szene mehr auf portugiesischen Stränden. Die Alteingesessenen mögen noch Fußbälle schupfen. Die Neuzugezogenen haben ihre Footballs mitgebracht.

Vor allem in Lissabon haben sich in den vergangenen Jahren viele US-Amerikaner niedergelassen. An warmen Wochenenden fahren sie mit dem Uber an die Strände rund um die portugiesische Hauptstadt. Zum Beispiel nach Ericeira, früher einmal ein Fischerstädtchen. Auf den ohnehin schon ziemlich zugebauten Klippen über den beliebten Surferstränden von Ribeira d‘Ilhas oder São Lourenço ragen die Baukräne in die Höhe. Jeder noch freie Fleck, so scheint es, wird hier mit schicken Appartements zugebaut: Glasfassade, grüner Garten, Blick aufs Meer.

Nicht nur US-Amerikaner zieht das an, auch Deutsche, Schweden, Franzosen und natürlich Österreicher. Längst sind es nicht nur Aussteiger auf der Suche nach ein bisschen wilder Küstenromantik, die Monate in Lissabon verbringen wollen. Die digitalen Nomaden sind in Portugal eingefallen. Aus den Trampelpfaden auf den steilen Klippen werden langsam Trampellandschaften. Wer mit den Menschen spricht, die in Ericeira oder Lissabon wohnen, trifft auf wachsenden Unmut. Denn die vielen neuen Wohnungen und Häuser würden meist nicht mehr langfristig vermietet, sondern nur noch für ein paar Wochen oder Monate – dafür zu horrenden Preisen, die sich die Alteingesessenen nicht leisten können oder wollen.

Das könnte auf kurz oder lang zu einer ähnlichen Situation führen, die auf den Kanaren nun Massendemonstrationen ausgelöst hat. In und um Lissabon werden seit Jahren ganze Straßenzüge von Investoren aufgekauft, viele davon aus den USA. Das Geschäftsmodell sind meist hohe Kurzzeitmieten: In der Gegend um Ericeira werden 50-Quadratmeter-Appartements für rund 1200 Euro pro Monat angeboten, erzählt einer, der dort lebt. Das halbe Jahr stünden sie leer, an Arbeiter aus der Gegend würde erst gar nicht vermietet. Nicht wenige Portugiesen fürchten, es könnte noch schlimmer werden, wenn Donald Trump in den USA die Wahlen gewinnt und mehr linksliberale US-Amerikaner auf die Idee kommen, es könnte angenehmer sein, etliche Monate im Jahr aus dem Homeoffice in Europa zu arbeiten, anstatt sich durch die politische Lage in der eigenen Heimat zu quälen.

Wie auf den Kanaren bringen Touristen und reiche Zuzügler auch Geld ins Land. Nicht wenige Häuser in Lissabon sind heruntergekommen, die Sanierung kostet. Wer für Touristen oder digitale Nomaden das Uber fährt, Wäsche wäscht oder den Tisch abräumt, muss aber weiter eine bezahlbare Wohnung finden können. Sonst stehen die Portugiesen auch bald auf der Straße.

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