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Neue Schuldenregeln für EU-Staaten nehmen letzte Hürde

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Archivbild.Reuters / Yves Herman
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EU-Staaten werden die neuen Bestimmungen im EU-Agrarrat absegnen. Künftig sollen etwa klare Mindestanforderungen für das Senken von Schuldenstandsquoten für hoch verschuldete Länder gelten.

Der Rat der EU-Staaten hat am Montag die Reform der EU-Schuldenregeln final abgesegnet. Dies ist nach der Billigung durch das EU-Parlament vergangene Woche der letzte Schritt zur Umsetzung. Nun werden die neuen Regeln im EU-Amtsblatt veröffentlicht. Kern sind nationale Pläne zum Schuldenabbau sowie klare Schuldenreduktionsziele. Die EU-Staaten hatten lange um einen Kompromiss gerungen.

Die EU-Regelungen zum Schuldenabbau waren in den vergangenen Jahren aufgrund der Auswirkungen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Krieges vorübergehend gelockert worden. Die Reform war unter den EU-Staaten umstritten: Während Österreich, Deutschland und nordische Länder auf mehr Strenge pochten, forderten südliche Staaten mehr Flexibilität und Möglichkeiten für Ausnahmen.

Laut den neuen EU-Regeln für die Obergrenzen von Haushaltsdefiziten und Staatsschulden sollen die EU-Staaten künftig nationale Pläne mit Maßnahmen zur Schuldenreduktion vorlegen - ausgelegt auf vier, in Ausnahmefällen auf sieben Jahre. Das soll den Mitgliedstaaten mehr Spielraum und Zeit bei der Konsolidierung ihrer Budgets lassen.

Maastricht-Obergrenze bleibt unverändert

Die Maastricht-Obergrenzen von maximal drei Prozent Budgetdefizit und 60 Prozent Gesamtverschuldung bleiben unverändert. In den neuen Regeln sind aber erstmals klare und verpflichtende Schuldenreduktionsziele vorgesehen, wie sie von Österreich und Deutschland gefordert wurden. Länder mit über 60 Prozent Verschuldung müssen ihre Schulden um mindestens 0,5 Prozent jährlich reduzieren, Länder über 90 Prozent um mindestens 1,0 Prozent. Gegner sehr strenger Regeln setzten allerdings durch, dass die für die Aufsicht zuständige EU-Kommission in einem Übergangszeitraum Zinskosten berücksichtigen kann.

Österreich hatte sich auch für Kontrollkonten eingesetzt, die kurzfristige Flexibilität mit mittel- und langfristiger Nachhaltigkeit kombinieren sollen. Künftig sind kurzfristige Abweichungen vom Ausgabenpfad sowohl im positiven als auch im negativen möglich. Sie müssen jedoch in einer mehrjährigen Betrachtung ausgeglichen werden.

"Nur ein finanziell stabiles Europa ist ein starkes Europa. Ein Schlüssel dazu sind die neuen Fiskalregeln. Es braucht durchsetzbare, klare und messbare Schuldenregeln, damit die Europäische Union auch in Zukunft stark und krisenresistent ist. Im Kern bringen die neuen Regeln einerseits klare Zielvorgaben und andererseits Flexibilität für kurzfristige Abweichungen bei gleichzeitiger langfristiger Schuldenreduktion", kommentierte Finanzminister Magnus Brunner (ÖVP) gegenüber der Austria Presse Agentur.

Solide öffentliche Finanzen als Ziel

Das Regelwerk soll die Budgetdisziplin der Länder sichern und damit solide öffentliche Finanzen garantieren. Diese gelten als wichtige Voraussetzung für die Stabilität in der EU und im Euro-Raum. Bei Übertreten der Obergrenzen können Schulden-Strafverfahren, sogenannte Defizitverfahren, eingeleitet werden. Dann muss ein Land Gegenmaßnahmen einleiten, um Verschuldung und Defizit zu senken.

Die bisherigen Regeln aus den 1990er Jahren wurden von Kritikern seit langem als zu kompliziert und zu streng angesehen. Zuletzt waren die Strafverfahren wegen der Corona-Krise sowie der Folgen des russischen Angriffs auf die Ukraine ganz ausgesetzt. Vor allem 2020 lagen die Defizite in fast allen EU-Ländern deutlich über der Drei-Prozent-Marke.

In Zukunft soll den Plänen nach aber unter anderem die individuelle Lage von Ländern stärker berücksichtigt werden. Die für die Aufsicht zuständige EU-Kommission soll etwa in einem Übergangszeitraum bei der Berechnung der Anpassungsanstrengungen den Anstieg der Zinszahlungen berücksichtigen können. Wenn Mitgliedstaaten glaubhafte Reform- und Investitionspläne vorlegen, die Widerstandsfähigkeit und Wachstumspotenzial verbessern, soll auch der Zeitraum zur Schuldenverringerung verlängert werden können.

Darüber hinaus sind unter anderem Schutzmaßnahmen geplant: Hoch verschuldete Länder (Schuldenstand von über 90 Prozent) sollen ihre Schuldenquote jährlich um einen Prozentpunkt senken müssen, Länder mit Schuldenständen zwischen 60 und 90 Prozent um 0,5 Prozentpunkte.

Was können sich die Länder leisten?

Kritiker betonen stets, dass die Regeln nötigen Investitionen etwa in Klimaschutz oder in den sozialen Bereich die Luft abschnürten. Eine Analyse vom Europäischen Gewerkschaftsbund (EGB) und der New Economics Foundation (NEF) war Anfang April zu dem Ergebnis gekommen, dass bei Einhaltung der geplanten Regeln ab 2027 nur noch Dänemark, Schweden und Irland in der Lage seien, sich notwendige Ausgaben zu leisten. Auch in Deutschland würden demnach Investitionen stark gehemmt, hieß es. Auch etwa die Grünen im Europaparlament sehen die Reform daher sehr kritisch. Sie werde den Bedürfnissen der Zeit nicht gerecht, sagte die Europaabgeordnete Henrike Hahn.

Der deutsche Finanzminister Christian Lindner gab sich zufrieden. Deutschlands zentrales Anliegen - „finanzpolitische Stabilität“ - finde sich in den Gesetzestexten wieder, sagte der FDP-Politiker jüngst. „Wir bekommen klare Regeln für den Schuldenabbau, die dann auch mit einer realistischen Perspektive durchgesetzt werden können.“ Auch die christdemokratische EVP-Fraktion im Europaparlament sprach sie für die Reform aus. Das neue Regelwerk schaffe mehr Klarheit und stelle die Wirtschafts- und Währungsunion auf ein solides Fundament, sagte der wirtschaftspolitische Sprecher und CSU-Abgeordnete Markus Ferber.

Nach der Bestätigung der EU-Länder müssen die neuen Vorschriften noch im EU-Amtsblatt veröffentlicht werden, damit sie in Kraft treten können. Das soll voraussichtlich Anfang Mai passieren. Ab diesem Frühjahr sollen die Defizitverfahren wieder eröffnet werden können - aller Voraussicht nach sollen dann bereits die neuen Regeln gelten. Nach jüngsten Daten des EU-Statistikamtes Eurostat brachen mehrere Länder im vergangenen Jahr die Obergrenzen. (APA/dpa)

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