Klatsch und Tratsch

Flurfunk kann auch positive Effekte haben

Menschen werden eher von Negativem angezogen als von positiven Informationen. 
Menschen werden eher von Negativem angezogen als von positiven Informationen. Clemens Fabry
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Arbeitnehmer verbringen durchschnittlich 52 Minuten pro Tag damit, über andere Menschen zu sprechen.

Über die Bemerkung vom Chef im letzten Meeting gilt es unter den Kollegen noch lange zu debattieren. Wie das wohl wirklich gemeint war, ob zwischen den Zeilen noch was lesen ist. Und ob er nicht sowieso frustriert sei wegen der fehlenden Beförderung. Apropos Beförderungen, wurde der Abteilungsleiter nicht kürzlich bevorzugt? So oder so ähnlich wird in Firmen sichergestellt, dass keine Veränderung unkommentiert bleibt. Der vermeintlich zeitintensive Austausch soll aber auch einen Nutzen bergen, wie Evolutionspsychologen und Forscher nun herausfanden.

Menschen verbringen durchschnittlich 52 Minuten pro Tag damit, über andere Menschen zu sprechen, lautet die Schätzung von Megan Robbins und Alexander Karan von der University of California, Riverside. Klatsch und Tratsch ist am Arbeitsplatz also allgegenwärtig. Meist dann, wenn Stimmen plötzlich leiser werden oder sich Kollegen danach umsehen, um zu überprüfen, ob Zielpersonen nicht in Hörweite sind.

Die Profis unter ihnen neigen dazu, diese Gespräche als „informellen Austausch“ zu beschreiben – über Menschen, die nicht anwesend sind. Dieser könne sowohl „komplementär als auch entscheidend“ sein. Was im Umkehrschluss bedeute, dass Manger, die nicht über ihre Angestellten sprechen, ihre Arbeit nicht richtig erledigen.

Reputation kann darunter leiden

Die Intensivität, mit der dieser Austausch stattfindet, legt nahe, dass Klatsch einige Vorteile haben muss. Es sei jedenfalls unterhaltsamer, über Kollegen zu sprechen (und wie sie den Feierabend wohl verbringen) als die neuesten Quartalszahlen. Evolutionspsychologen behaupten zudem, dass er hilfreich sei, um soziale Normen zu vermitteln. Tracey Camilleri, Samantha Rockey und Robin Dunbar verweisen in ihrem Buch „The Social Brain“ auf das Beispiel von Jäger-Sammler-Gruppen im südlichen Afrika, die mittels Klatsch diejenigen kritisieren, die die Beute erfolgreicher Jagden nicht teilen.

Ein ähnliches Verhalten ist am Arbeitsplatz zu beobachten. In einem kürzlich erschienenen Artikel von Terence Dores Cruz von der Universität Amsterdam und seinen Mitautoren wurden die Teilnehmer gefragt, ob sie Gerüchte über jemanden teilen würden, der ständig nachlässig sei und andere die Arbeit erledigen lasse. Die Leute gaben diese Information eher an Kollegen weiter, die mit dieser Person arbeiten mussten, als an andere Beschäftigte. Das Wissen – dass Reputation bzw. Anerkennung zum Teil durch Klatsch entsteht – kann als Abschreckung gegen schlechtes Verhalten wirken.

Doch dieser Reputationseffekt sei auch ein Grund, sich über Klatsch: Sorgen zu machen. Schließlich entstünden im Job auch manchmal Anreize, um falsche Informationen zu verbreiten. Ein weiteres Experiment, das von Kim Peters und Miguel Fonseca von der Universität Exeter durchgeführt wurde, ergab, dass Lügen doppelt so häufig auftauchen, wenn Kollegen erzählt wird, dass sie miteinander konkurrieren.

Lieber Negatives als Positives

Zudem werden Menschen von Negativem eher angezogen als von positiven Informationen. Doch Gerüchte zu verbreiten, kann auch für den Initiator unangenehme Konsequenzen haben: Denn eine der Kuriositäten sei, dass „jeder es tut und doch wird es so oft verpönt“. Ein neuer Artikel von Maria Kakarika der Durham University Business School und ihre Co-Autoren fanden heraus, dass, als „Klatschhändler“ gesehen zu werden, ihrer Karriere nicht weiterhilft.

Sie würden anderen, die Gerüchte verbreiten, gar niedrigere Leistungsbewertungen geben und Bonussenkungen empfehlen.

Vollständig loszuwerden ist die Klatsch-Kultur nicht. Doch Führungskräfte sind gefordert, die Nachfrage danach dämpfen. Wenn Ungewissheit entsteht – um Kündigungen oder die Ernennung eines neuen Chefs –, gedeiht Klatsch. Wenn Menschen denken, dass sie unfair behandelt werden, wollen sie darüber sprechen. Wenn Arbeitsabläufe zu monoton sind, wird die Langeweile womöglich mit Klatsch gelindert. Ein Heilmittel für übermäßigen Klatsch sei demzufolge: gutes Management. (ere)

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