„Beihilfe zum Völkermord“

Internationaler Gerichtshof lehnt Nicaraguas Eilantrag gegen Deutschland ab

Ein Bild von der Urteilsverkündung im Internationalen Gericht in Den Haag. Links in der ersten Reihe: Deutschlands Vertreterin Tania von Uslar-Gleichen.
Ein Bild von der Urteilsverkündung im Internationalen Gericht in Den Haag. Links in der ersten Reihe: Deutschlands Vertreterin Tania von Uslar-Gleichen.Imago / Robin Van Lonkhuijsen
  • Drucken

Der Internationale Gerichtshof ergreift vorerst keine Maßnahmen gegen Deutschland. Nicaragua hatte Deutschland vorgeworfen, einen „Völkermord“ im Gazastreifen zu „begünstigen“. Das Verfahren läuft aber weiter

Der Internationale Gerichtshof in Den Haag hat eine Klage Nicaraguas zurückgewiesen, Deutschlands Rüstungsexporte nach Israel mit einem Eilantrag zu stoppen. Es werde keine Dringlichkeitsanordnung erlassen, teilte das Gericht am Dienstag mit. Man sei dennoch tief besorgt angesichts der humanitären Situation der palästinensischen Zivilbevölkerung im Gazastreifen. Der Gerichtshof gab aber auch einem deutschen Antrag auf Abweisung des Falles nicht statt.

Damit kann das Verfahren weitergeführt werden. Das autoritär regierte Nicaragua wollte mit seiner Klage erreichen, dass der Internationale Gerichtshof Deutschland auffordert, die Waffenexporte an Israel einzustellen. Nicaragua hatte damit argumentiert, dass im Gazastreifen wegen des Vorgehens des israelischen Militärs die ernste Gefahr eines Völkermords bestehe. Berlin habe gegen die Völkermordkonvention von 1948 verstoßen, weil es Israel weiterhin mit Waffen beliefere. Die Richter des IGH hätten zuvor entschieden, es sei plausibel, dass Israel während seines Angriffs auf Gaza einige in der Völkermordkonvention garantierte Rechte verletzt habe. Die israelische Regierung bestreitet dies.

Das deutsche Außenministerium reagierte auf X erleichtert. Man begrüße das Urteil und sehe sich nicht als Konfliktpartei in Nahost - „im Gegenteil“, man setze sich für eine Zweistaatenlösung ein.

Vorwurf der „Beihilfe zum Völkermord“

Nicaragua wirft der Bundesrepublik vor, unter anderem durch Waffenlieferungen an Israel, „Beihilfe zum Völkermord“ an den Palästinensern zu leisten. Das zentralamerikanische Land hatte die Durchsetzung von fünf Sofortmaßnahmen noch vor dem Ende des Verfahrens gefordert, darunter auch die Einstellung deutscher Waffenlieferungen an Israel. Zudem solle Berlin seine Unterstützung für das UN-Palästinenserhilfswerk (UNRWA) wieder aufnehmen.

Deutschland hatte seine Zahlungen im Januar ausgesetzt, weil Mitarbeitern des UNRWA vorgeworfen worden war, in den Angriff der radikalislamischen Hamas auf Israel verwickelt gewesen zu sein. Nach der Veröffentlichung eines Untersuchungsberichts zu dem UN-Hilfswerk kündigte die Bundesregierung am Mittwoch die Wiederaufnahme der Zahlungen an.

Deutschland weist Vorwürfe zurück

Deutschland bestreitet die von Nicaragua erhobenen Vorwürfe. Die Bundesrepublik liefere Waffen „nur auf der Grundlage einer sorgfältigen Prüfung, die weit über die Anforderungen des Völkerrechts hinausgeht“, hatte die Leiterin der Rechtsabteilung und Völkerrechtsberaterin des Auswärtigen Amts, Tania von Uslar-Gleichen Anfang April vor dem IGH gesagt. Die Sicherheit Israels stehe aufgrund der deutschen Geschichte „im Zentrum der deutschen Außenpolitik“.

Nicaraguas Anwalt, der Deutsche Daniel Müller, warf Deutschland hingegen vor, einerseits humanitäre Hilfe für die palästinensische Bevölkerung im Gazastreifen zu leisten und andererseits „die militärische Ausrüstung zu liefern, die verwendet wird, um sie zu töten“.

IGH-Urteile nicht bindend

Der IGH wurde eingerichtet, um über zwischenstaatliche Streitigkeiten zu entscheiden. Obwohl seine Urteile rechtlich bindend sind, hat er kaum Möglichkeiten, sie durchzusetzen. Im Dezember hatte Südafrika vor dem IGH gegen Israel den Vorwurf eines Völkermords im Gazastreifen erhoben.

Der Krieg im Gazastreifen war durch den beispiellosen Großangriff der Hamas auf Israel am 7. Oktober ausgelöst worden, bei dem nach israelischen Angaben etwa 1170 Menschen getötet sowie rund 250 weitere als Geiseln in den Gazastreifen verschleppt wurden.

Durch die anschließende massive israelische Militäroffensive auf das Gebiet wurden nach Angaben des von der Hamas kontrollierten Gesundheitsministeriums, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, bisher mehr als 34.300 Menschen getötet. Die Zivilbevölkerung im Gazastreifen lebt unter katastrophalen humanitären Bedingungen. (APA/AFP)

Lesen Sie mehr zu diesen Themen:


Dieser Browser wird nicht mehr unterstützt
Bitte wechseln Sie zu einem unterstützten Browser wie Chrome, Firefox, Safari oder Edge.