EU-Beitrittskandidat

Zehntausende Georgier protestieren gegen „russisches Gesetz“

 Seit Wochen demonstrieren Menschen in Georgien, das EU-Beitrittskandidat ist, gegen das Gesetz zur „ausländischen Einflussnahme“.
Seit Wochen demonstrieren Menschen in Georgien, das EU-Beitrittskandidat ist, gegen das Gesetz zur „ausländischen Einflussnahme“.APA / AFP / Giorgi Arjevanidze
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Das Parlament in Georgien verabschiedet ein Gesetz zur „ausländischen Einflussnahme“. Die Polizei geht mit Pfefferspray, Tränengas und Wasserwerfer gegen die Demonstrierenden vor. Ausländische Regierungen verurteilen das vorgehen.

Das gewaltsame Vorgehen der georgischen Sicherheitskräfte gegen Proteste hat internationale Besorgnis ausgelöst. Die EU, USA, Frankreich und auch Österreich zeigten sich besorgt. In Georgien waren am Mittwoch erneut zehntausende Menschen gegen das Gesetz zur „ausländischen Einflussnahme“ auf die Straße gegangen. Ungeachtet dessen stimmte das Parlament dem umstrittenen Gesetz in zweiter Lesung zu. Gegner sehen in dem Vorhaben ein Instrument zur Unterdrückung von Kritikern.

Zehntausende Menschen hatten sich am Mittwochabend vor dem Parlament in Tiflis versammelt, wie ein Reporter der Nachrichtenagentur AFP vor Ort beobachtete. Sie schwenkten dabei Flaggen Georgiens und der EU. Zudem wurden die georgische Nationalhymne und die Ode an die Freude gespielt.

Demonstranten bilden Barrikaden vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis.
Demonstranten bilden Barrikaden vor dem Parlament in der Hauptstadt Tiflis.APA / AFP / Giorgi Arjevanidze

Rund 60 Demonstranten festgenommen

Später am Abend setzte die Polizei im Hof des Parlamentsgebäudes Pfefferspray, Tränengas und Wasserwerfer gegen hunderte Demonstranten ein. Diese hatten versucht, den Seiteneingang des Parlaments zu blockieren. Bereits am Vortag hatte die Polizei unter anderem Tränengas eingesetzt. Rund 60 Demonstranten wurden festgenommen.

„Ihre sinnlose Gewalt ist zwecklos“, sagte der Demonstrant Tato Gatschetschiladse. „Georgien gehört zu Europa und wir werden russische Gesetze und eine pro-russische Regierung nicht tolerieren.“

Ein Demonstrant wird mit Wasser überschüttet, nachdem er mit Tränengas in Kontakt gekommen ist.
Ein Demonstrant wird mit Wasser überschüttet, nachdem er mit Tränengas in Kontakt gekommen ist.APA / AFP / Giorgi Arjevanidze

Ungeachtet wochenlanger Proteste im Land und der Kritik aus Brüssel hat das Parlament in Georgien am Mittwoch in zweiter Lesung das Gesetz zur „ausländischen Einflussnahme“ verabschiedet. Die Abgeordneten in Tiflis stimmten mit 83 Ja-Stimmen bei 23 Gegenstimmen für die Annahme des Gesetzes, das von seinen Gegnern als Instrument zur Unterdrückung kritischer Medien und Organisationen gesehen wird. Kurz nach der Entscheidung strömten Zehntausende Demonstranten auf die Straßen.

Sie versammelten sich vor dem Parlamentsgebäude in Tiflis und schwenkten die Flaggen Georgiens und der Europäischen Union, wie AFP-Reporter berichteten. Am Vortag hatte die Polizei dort die Demonstranten mit Tränengas und Gummigeschossen auseinander getrieben. Es hatte 63 Festnahmen gegeben.

Kritiker sehen Parallelen zu Russland

Im Parlament verabschiedeten die Abgeordneten das Gesetz am Mittwoch in zweiter Lesung mit 83 Ja-Stimmen bei 23 Gegenstimmen. Die Regierungspartei Georgischer Traum strebt das Inkrafttreten des Gesetzes für Mitte Mai an. Es sieht vor, dass sich Organisationen, die zu mindestens 20 Prozent aus dem Ausland finanziert werden, in Georgien behördlich registrieren lassen müssen.

Kritiker sehen darin eindeutige Parallelen zum Gesetz gegen „ausländische Agenten“ in Russland. Das erlaubt es den dortigen Behörden, massiv gegen kritische Medien und Organisationen vorzugehen.

Das Vorhaben muss noch in dritter Lesung vom Parlament verabschiedet werden. Zwar kann die pro-europäische Präsidentin Salome Surabischwili ihr Veto einlegen, doch verfügen die regierungstreuen Abgeordneten im Parlament in Tiflis über eine ausreichende Mehrheit, um das Veto der Präsidentin zu überstimmen.

Georgien ist offiziell EU-Beitrittskandidat

Die Proteste gegen das „russische Gesetz“ dauern in Georgien seit mehreren Wochen an. Georgien ist seit Dezember offiziell EU-Beitrittskandidat - Brüssel hatte erklärt, das Gesetz untergrabe die Beitrittsambitionen des Landes. EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen rief die Regierung in Tiflis am Abend auf, weiterhin in Richtung EU zu steuern. „Die georgischen Bürger zeigen ihre tiefe Verbundenheit mit der Demokratie. Die georgische Regierung sollte diese klare Botschaft berücksichtigen“, erklärte von der Leyen auf X. Zugleich verurteilte sie das gewaltsame Vorgehen gegen die Demonstranten.

„Die Anwendung von Gewalt zur Unterdrückung friedlicher Versammlungen und der freien Meinungsäußerung ist inakzeptabel“, erklärte auch der Sprecher des US-Außenministeriums, Matthew Miller. Er warf der Regierungspartei Georgischer Traum eine „antiwestliche Rhetorik“ vor.

Das französische Außenministerium erklärte im Onlinedienst X, Paris verfolge die Situation „mit Sorge“. Das Ministerium kritisierte ebenfalls „die Gewalt gegen die Demonstranten“. Georgien müsse seine Bemühungen fortsetzen, „sich entsprechend dem Wunsch seiner Bevölkerung der Europäischen Union anzunähern.“

Außenministerium in Wien „tief besorgt“

Das österreichische Außenminister zeigte sich ebenfalls „tief besorgt über die Gewalt gegen friedliche Demonstranten“ in Georgien. „Friedliche Versammlung und freie Meinungsäußerung sind Eckpfeiler jeder Demokratie“, erklärte das Außenamt auf X. „Eine starke Zivilgesellschaft ist entscheidend für Georgiens europäischen Weg.

Ministerpräsident Irakli Kobachidse kritisierte wiederum westliche Politiker und Diplomaten für die „Verleumdung“ des Gesetzesvorhabens. Kobachidse hatte das Amt des Ministerpräsidenten im Februar übernommen. Kritiker werfen ihm vor, das Land wieder stärker an Russland annähern zu wollen. Der 45-Jährige beschuldigt seinerseits die westlichen Staaten, Georgien in den Krieg Russlands gegen die Ukraine hineinziehen zu wollen.

Die Führung in Moskau zählt die ehemalige Sowjetrepublik Georgien zu ihrem Einflussgebiet. 2008 marschierten russische Truppen in Georgien ein, Russland erkannte anschließend die abtrünnigen Regionen Abchasien und Südossetien als unabhängige Kleinstaaten an. (APA/AFP)

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