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SPD-Europaabgeordneter bei Angriff in Dresden schwer verletzt

Matthias Ecke ist der Spitzenkandidat der SPD für die kommende Europawahl.
Matthias Ecke ist der Spitzenkandidat der SPD für die kommende Europawahl.Imago / Dts Nachrichtenagentur
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Matthias Ecke wurde beim Aufhängen von Wahlplakaten attackiert. Vier Unbekannte schlugen auf ihn ein. Er musste operiert werden. Es ist nicht der erste Angriff auf Parteimitglieder in Deuschland.

Er wollte Wahlplakate für seine Partei anbringen, nun liegt der sächsische SPD-Europaspitzenkandidat Matthias Ecke im Krankenhaus. Am Freitagabend ist er in Dresden von vier Unbekannten angegriffen und schwer verletzt worden. Die Tätergruppe schlug auf den 41-Jährigen ein, wie Polizei und Partei am Samstag mitteilten. Er habe im Krankenhaus operiert werden müssen.

Minuten zuvor hatte laut Polizei bereits eine vierköpfige Gruppe einen 28-jähriger Wahlkampfhelfer der Grünen ebenfalls beim Plakatieren attackiert. Die Täter schlugen und traten ihn, auch der 28-Jährige wurde verletzt. Die Ermittler des Staatsschutzes gehen aufgrund der übereinstimmenden Personenbeschreibungen sowie der zeitlichen und örtlichen Nähe davon aus, dass es sich in beiden Fällen um dieselben Täter handelt.

Beide Vorfälle ereigneten sich im bürgerlich geprägten Stadtteil Striesen, der vor allem durch seine alten Villen geprägt ist. Mittlerweile hat nach Angaben des sächsischen Innenministeriums die Task Force Gewaltdelikte des Landeskriminalamtes die Ermittlungen übernommen. Bei den Angreifern auf Ecke handelt es sich nach Polizeiangaben um junge Männer zwischen 17 und 20 Jahren. Alle vier seien Zeugenaussagen zufolge dunkel gekleidet gewesen, sagte ein Polizeisprecher am Samstag. Ein Zeuge habe die Angreifer dem rechten Spektrum zugeordnet. Die Ermittlungen würden zeigen, ob das stimme.

Vermehrt Angriffe gegen Parteimitglieder

Die Vorfälle von Dresden reihen sich ein in eine Folge von Angriffen auf Parteimitglieder im Vorfeld der Kommunal- und Europawahlen am 9. Juni. Erst am Donnerstagabend waren der Grünen-Bundestagsabgeordnete Kai Gehring und sein Parteikollege Rolf Fliß nach eigenen Angaben nach einer Parteiveranstaltung in Essen attackiert worden. Am vergangenen Wochenende waren Mitglieder der Grünen in Chemnitz und Zwickau beim Anbringen von Wahlplakaten angegriffen worden. Im niedersächsischen Nordhorn wurde am Samstagmorgen ein Landtagsabgeordneter der AfD nach Polizeiangaben an einem Infostand geschlagen.

Nach einer Studie für die Heinrich-Böll-Stiftung treffen die Beleidigungen, Bedrohungen und tätlichen Angriffe Frauen wie Männer und Menschen mit und ohne Migrationshintergrund in ähnlichem Maße. Sowohl in ost- als auch in westdeutschen Ländern sowie über alle Parteigrenzen hinweg gibt es diese Vorfälle. Auffällig ist aber ein Trend, den die Bundesregierung jüngst auf eine Kleine Anfrage der AfD im Bundestag offenlegte - nicht speziell zu Kommunalpolitikern, sondern gemünzt auf alle politischen Ebenen: Waren noch 2019 vor allem Vertreter der AfD Ziel von Anfeindungen, so verlagerte sich der Hass vermehrt auf die Grünen. Für die AfD wurden 2023 nach vorläufigen Zahlen bundesweit 478 Fälle aktenkundig, für die Grünen 1219. Für alle Parteien zusammen wurden von 2019 bis 2023 nach Regierungsangaben 10 537 Straftaten gemeldet.

„Achselzuckendes Hinnehmen ist niemals eine Option“

Zahlreiche Landes- und Bundespolitiker in Deutschland verurteilten den Angriff auf Ecke am Samstag. Der deutsche Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) forderte ein geschlossenes Vorgehen gegen Rechts. Der Angriff auf Ecke sei bedrückend, sagte Scholz am Samstag bei einem Demokratiekongress zur bevorstehenden Europawahl in Berlin. „Die Demokratie wird von so etwas bedroht, und deshalb ist achselzuckendes Hinnehmen niemals eine Option“, sagte Scholz. „Wir müssen gemeinsam dagegen stehen.“

Auch mit Attacken auf grüne Kandidatinnen und Kandidaten sowie Kommunalpolitiker und -politikerinnen dürfte man sich nicht abfinden. Dass so etwas geschehe, habe auch etwas mit Reden, die gehalten würden, und mit Stimmungen, die erzeugt würden, zu tun, sagte Scholz mit Blick etwa auf die rechtspopulistische AfD. Scholz wünschte Ecke beste Genesung - er sprach sich zudem für eine rückhaltlose Aufklärung aus.

„Unübersehbares Alarmzeichen“

Die SPD-Bundesvorsitzenden Saskia Esken und Lars Klingbeil verurteilten den Angriff auf den sächsischen Europaabgeordneten scharf. „Dieser hinterlistige Angriff macht unsere gesamte Partei betroffen. Er ist ein Angriff auf alle Wahlkämpferinnen und Wahlkämpfer, die mit Leidenschaft für unsere Demokratie und den Rechtsstaat eintreten“, hieß es in einer Erklärung vom Samstag. „Die Täter wollen uns als Repräsentanten einer demokratischen Gesellschaft einschüchtern. Aber das wird ihnen niemals gelingen.“ Man erwarte, dass die Tat aufgeklärt und die Täter zur Rechenschaft gezogen würden.

Der Überfall sei ein „unübersehbares Alarmzeichen an alle Menschen in diesem Land“, erklärten die Landesparteivorsitzenden Henning Homann und Kathrin Michel laut Mitteilung. „Die Reihe von Angriffen durch Schlägertrupps auf Plakatierteams demokratischer Parteien sind ein Angriff auf die Grundfesten unserer Demokratie. Das gewalttätige Vorgehen und die Einschüchterung von Demokratinnen und Demokraten ist das Mittel von Faschisten.“ Die Saat, die AfD und andere Rechtsextreme gesät hätten, gehe auf, deren Anhänger seien völlig enthemmt. Die SPD lasse sich aber nicht mundtot machen, betonten Homann und Michel.

„Es ist schockierend“

Sachsen Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) teilte bei X mit: „Es ist schockierend und ein Angriff auf unsere demokratischen Werte, die Attacke auf SPD-Spitzenkandidat Matthias Ecke entsetzt mich zutiefst und ist durch nichts zu rechtfertigen.“ Angriffe und Einschüchterungen von politischen Mitbewerbern kenne man aus den dunkelsten Epochen der deutschen Geschichte.

Auch der AfD-Vorsitzende Tino Chrupalla schieb auf X: „Physische Angriffe gegen Politiker aller Parteien verurteilen wir zutiefst. Wahlkämpfe müssen inhaltlich hart und konstruktiv, aber ohne Gewalt geführt werden.“ Der selbst aus Sachsen stammende Bundespartei- und Bundestagsfraktionschef wünschte Ecke „viel Kraft und rasche Genesung“.

„Neue Dimension antidemokratischer Gewalt“

Auch die deutsche Innenministerin Nancy Faeser verurteilte den Überfall auf den Europaabgeordneten Ecke scharf. „Wenn sich ein politisch motivierter Anschlag auf den Europaabgeordneten Matthias Ecke wenige Wochen vor der Europawahl bestätigt, dann ist diese schwere Gewalttat auch ein schwerer Angriff auf die Demokratie“, teilte Faeser am Samstag mit. „Wir erleben hier eine neue Dimension von antidemokratischer Gewalt.“

Zugleich kündigte sie ein hartes Vorgehen des Rechtsstaats an. Sie fügte hinzu, Extremisten und Populisten, die mit völlig entgrenzten verbalen Anfeindungen gegen demokratische Politikerinnen und Politiker ein zunehmendes Klima der Gewalt schürten, trügen eine Mitverantwortung dafür, dass es immer häufigere Attacken gebe. „Der Rechtsstaat muss und wird hierauf mit einem harten Vorgehen und weiteren Schutzmaßnahmen für die demokratischen Kräfte in unserem Land reagieren. Ich werde darüber sehr schnell mit den Innenministerinnen und Innenministern der Länder beraten.“

Gesundheitsminister Karl Lauterbach (ebenfalls SPD) schrieb am Samstag auf X: „Alle demokratischen Parteien müssen gegen Gewalt stehen. Zur Wahrheit gehört: Die AfD sät seit Jahren Hass und Hetze, wie es sie vorher in der Politik bei uns nicht gab, sie verursacht Gewalt.“ (APA/dpa/Reuters)

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