Ukraine-Krieg

„Ukrainer knien nur beim Beten. Und nie vor Invasoren“

Ein Priester segnet Feiernde zum Orthodoxen Osterfest in der Ukraine.
Ein Priester segnet Feiernde zum Orthodoxen Osterfest in der Ukraine.Reuters/Thomas Peter
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Orthodoxe Ostern am Wochenende brachten keine Feuerpause, Präsident Selenskij nennt Gott einen „Verbündeten“. Russland verkündet die Einnahme einer weiteren Ortschaft.

In Russland und der Ukraine wurde das christlich-orthodoxe Osterfest am Wochenende groß, bunt und mit Hingabe gefeiert. Doch dass es einen Osterfrieden geben werde, war schon im Vorfeld utopisch. Russlands Präsident, Wladimir Putin, nahm Sonntagfrüh in der Moskauer Christ-Erlöser-Kathedrale an der Ostermesse teil, bekreuzigte sich mehrmals und stimmte in den Ostergruß ein („Christus ist auferstanden!“ – „Er ist wahrhaftig auferstanden!“). Später gab die Militärführung bekannt, dass ein weiteres Dorf in der Region Donezk erobert worden sei.

Geleitet wurde der Gottesdienst vom Oberhaupt der Russisch-Orthodoxen Kirche, Patriarch Kirill (77). Der Verbündete Putins und ausdrückliche Unterstützer des Kriegs bat in Gebeten um den Schutz der „heiligen Grenzen“ Russlands.

Der ukrainische Präsident, Wolodymyr Selenskij, zeigte sich derweil in einem Video vor der Sophienkathedrale in Kiew und rief seine Landsleute zu Tapferkeit und Einheit auf: „Gott trägt ein Abzeichen mit der ukrainischen Flagge auf der Schulter“, sagte er. „Mit so einem Verbündeten wird das Leben definitiv über den Tod siegen.“ Der Wille der Ukrainer könne nicht gebrochen werden: „Die Ukrainer knien nur im Gebet. Und niemals vor Invasoren.“

Osterfeiern mit Körben voller Köstlichkeiten in der Mariä-Entschlafens-Kirche in Kiew.
Osterfeiern mit Körben voller Köstlichkeiten in der Mariä-Entschlafens-Kirche in Kiew.AFP

Etwas mehr als Fläche Wiens

Bei der eroberten Ortschaft handelte es sich demnach um Otscheretyne, rund 15 Kilometer nordwestlich der Industriestadt Awdijiwka, die Russland im Februar eingenommen hatte. In den vergangenen Wochen gab es manch Berichte über taktische Erfolge der Russen im Donbass und eroberte Orte, die allerdings oft übertrieben dargestellt und als Bruch der ukrainischen Front interpretiert wurden. Russlands Verteidigungsminister, Sergei Shoigu, hat vor wenigen Tagen den heurigen Gebietsgewinn mit knapp 550 Quadratkilometern beziffert. Das ist nicht sehr viel mehr als die Fläche von Wien (ca. 415 km²), und allein der noch ukrainisch beherrschte Teil der Region Donezk misst etwa 11.000 km², das ist etwas kleiner als Oberösterreich.

Die ukrainische Luftverteidigung und die Luftwaffe wollen indes in der Osternacht 23 von 24 russischen Drohnen über mehreren Regionen in Frontnähe angeschossen haben, zudem am Samstag einen russischen Schlachtflieger vom Typ Suchoi Su-25 (Nato-Code: Frogfoot). Eine schwere Explosion am selben Tag in der grenznahen russischen Stadt Belgorod, bei der mindestens fünf Menschen verletzt wurden, dürfte durch eine fehlgeleitete russische Gleitbombe verursacht worden sein.

In Deutschland bekräftigte unterdessen Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) am Sonntag erneut die langfristige Militärhilfe für Kiew. Man gedenke anlässlich des orthodoxen Osterfests auch der orthodoxen Christen in der Ukraine, die dieses Fest nicht in Frieden feiern könnte, schrieb Scholz auf X. Und: „Klar ist: Wir unterstützen die Ukraine – so lang wie nötig.“

„Dilemma“ in Deutschland

Der Innenminister des deutschen Bundeslandes Hessen, Roman Poseck, brachte derweil Hilfe für die Ukraine bei der Rekrutierung Wehrpflichtiger ins Gespräch. Er könne sich vorstellen „daran mitzuwirken, dass die Ukraine auf Männer, die ins Ausland geflohen sind, aber im Krieg eingesetzt werden können, zurückgreifen kann“, sagte der CDU-Politiker laut ARD-Vorabbericht vom Sonntag. Zugleich wolle Deutschland ein sicherer Zufluchtsort bleiben. Poseck sprach diesbezüglich auch von einem „Dilemma“. Einzelheiten wurden zunächst nicht bekannt.

Die Ukraine will mehr Wehrpflichtige einziehen und dazu auch männliche Staatsbürger zwischen 18 und 60 Jahren einziehen, die ins Ausland geflohen sind bzw. dort schon länger leben. Allein in Deutschland gibt es amtlichen Angaben zufolge mindestens 200.000 Personen, die dafür infrage kommen. Zwangsweise zurückholen kann man sie aber nicht. Das ukrainische Außenministerium hat daher kürzlich die konsularischen Dienste im Ausland für Wehrpflichtige eingeschränkt, insbesondere bekommen sie keine neuen Reisedokumente oder Passverlängerungen, was schon zu chaotischen Zuständen vor manchen Konsulaten führte. Betroffene bekommen neue Dokumente nur noch, wenn sie in die Heimat reisen wollen.

Für die Möglichkeit, Ukrainern ohne gültige Papiere deutsche Ersatzdokumente auszustellen, sieht Hessens Innenminister wenig Chancen. Er sehe die rechtlichen Voraussetzungen dafür nicht, sagte Poseck. Immerhin sein die Ukraine ja „kein Unrechtsstaat“. (ag./wg)

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