Mein Freitag

Was hätten Sie gern früher gewusst?

Imago / Uwe Umstätter
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Barfuß gehen macht glücklich und altes Brot sollte man mit Käse überbacken.

Was man zu selten sagt: Es hat ja auch gute Seiten, wenn Kinder größer werden. Viele sogar. Etwa dass sie, ohne ein Chaos epischen Ausmaßes zu verursachen, Kuchen backen. Einen ganz eigenen Sinn für Humor entwickeln. Oder entdecken, wie sie andere trösten können. Und dass sie, ganz allgemein, nicht mehr so viel Unterstützung im täglichen Leben brauchen. Man gibt sie fallweise trotzdem. Ungefragt, natürlich.

Weil, nun ja, man im Laufe der Jahre eben einiges an Lebenserfahrung ansammelt. Und auf die Frage „Was hättest du gern früher gewusst?“ doch einige Antworten hat. Zum Beispiel, dass die ersten drei Mal barfuß gehen im Jahr glücklich macht, mehr noch als Schokolade. Dass es sich an einem ordentlichen Tisch besser arbeitet als an einem mit Speiseresten und Papierln. Dass durch Europa zu reisen spannend ist und London viel besser als New York. Dass man Fremde in der U-Bahn ruhig nach einem Taschentuch fragen kann. Oder ihnen eins anbieten sollte, wenn sie es offensichtlich brauchen. Dass man niemals hungrig einkaufen gehen sollte. Und dass es sinnlos ist, darauf zu hoffen, dass die notorisch unpünktliche Freundin ihr Verhalten ändert; besser, man plant die Verspätung gleich mit ein. Dass altes Brot mit Käse überbacken herrlich schmeckt und Peperoncino so manches Essen rettet. Dass Menschen mit 50 noch gar nicht alt sind, die meis­ten jedenfalls. Und dass Sonne uns guttut.

„Geh doch raus“, sage ich also. „Son­ne wärmt die Seele und ab morgen soll es wieder regnen.“ Oder: „Der Riesenhaufen auf deinem Schreibtisch muss eh weggeräumt werden, wenn du es gleich tust, nervt er dich nicht mehr.“ Vielleicht auch „zieh doch die Schuhe aus und geh barfuß“. Und während ich das sage, tue ich es oft selbst. Gehe in die Sonne, räume auf, streife die Socken ab. Weil ich ja recht habe. Und es mir erst, nachdem ich es gesagt habe, bewusst wird. Was zeigt, dass man Ratschläge brauchen kann, sogar die eigenen. Hätte ich auch gern früher gewusst.

rosa.schmidt-vierthaler@diepresse.com

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