Deutschland

Emmanuel Macrons verschobener Staatsbesuch in Berlin unter schwierigen Vorzeichen

Frank-Walter Steinmeier und Gattin Elke Büdenbender mit Emmanuel und Brigitte Macron vorigen August in Paris.
Frank-Walter Steinmeier und Gattin Elke Büdenbender mit Emmanuel und Brigitte Macron vorigen August in Paris.Imago / Jonathan Rebboah
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Ab Sonntag treffen einander zunächst in Berlin zwei Staatsoberhäupter, die sehr gut miteinander können. Doch bei vielen Punkten, vom Militärwesen über die Haltung zu China und Investitionsgeldern auf EU-Ebene, knirscht es im deutsch-französischen Getriebe.

Berlin/Paris. Staatsbesuch mit Hindernissen auch im zweiten Anlauf: Wenn Frankreichs Präsident, Emmanuel Macron, am Sonntag seine Deutschland-Reise in Berlin beginnt, belasten ihn erneut heimische Sorgen. Während er vor knapp einem Jahr wegen schwerer Krawalle in den französischen Vorstädten seinem Gastgeber Frank-Walter Steinmeier kurzfristig absagte, musste Macron nun unmittelbar vor seiner Visite beim deutschen Nachbarn ins 17.000 Kilometer entfernte südpazische Überseegebiet Neukaledonien aufbrechen, um Unruhen dort zu schlichten. Was übrigens nicht so wirklich gelang.

Am Staatsbesuch in Deutschland werde nicht gerüttelt, hieß es aber in Paris. Das Programm zum Auftakt in Berlin aber wurde leicht verkürzt. Mit Stationen am Brandenburger Tor, im Schloss Bellevue und, in Sachsen, vor der Dresdner Frauenkirche verspricht den Deutschland-Besuch symbolträchtige Bilder; wie schon im vergangenen Frühsommer steht der erste Staatsbesuch eines französischen Präsidenten in Deutschland seit 24 Jahren aber unter schwierigen Vorzeichen. Um die deutsch-französischen Beziehungen könnte es besser bestellt sein. Bei Schlüsselthemen knirscht es immer wieder. Und die Herausforderungen sind eher noch drängender geworden, allen voran das konzertierte Auftreten des Westens im Ukraine-Krieg.

Dabei sind beide Seiten um einen besseren Draht bemüht. Kürzlich empfing Macron den deutschen Bundeskanzler, Olaf Scholz, zu einem privaten Abendessen in Paris. Der Kanzler hatte zuvor eine große Europa-Rede von Macron gelobt. Und Anfang des Jahres würdigte Macron den verstorbenen früheren Bundestagspräsidenten Wolfgang Schäuble in einer in großen Teilen auf Deutsch gehaltenen Rede im Bundestag.

Macron und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz.
Macron und Deutschlands Kanzler Olaf Scholz.Reuters / Annegret Hilse

Auch der Kontakt mit Bundespräsident Steinmeier ist eng. Den Ersatztermin für den ausgefallenen Besuch besprachen beide Männer bei einem Diner zusammen mit ihren Frauen im August vergangenen Jahres in Paris.

Große Uneinigkeiten

Die großen Uneinigkeiten aber konnte all das nicht ausräumen. Während Macron eine größere europäische Autonomie mit eigener Verteidigung und einem Schutz der Wirtschaft vor unlauterer Konkurrenz aus China und den USA predigt, hält Scholz an seiner transatlantischen Orientierung und dem Handelspartner China fest. Und im Ukraine-Konflikt überraschte Macron Scholz mit Überlegungen zum Entsenden von Bodentruppen, was Scholz ebenso ablehnt wie eine Lieferung von deutschen Taurus-Marschflugkörpern an das von Russland angegriffene Land, während Frankreich seine technisch sehr ähnlichen SCALP-Flugkörper schon seit längerer Zeit bereitstellt. Berlin wirft Paris im Gegenzug vor, als zweitgrößte Volkswirtschaft der EU insgesamt viel zu wenig für die Ukraine zu tun.

Wie es in Paris heißt, geht es Frankreich bei dem Staatsbesuch um die Pflege und Verbesserung der Beziehungen zu Deutschland. Und ums Festlegen einer gemeinsamen Strategie innerhalb der EU für die Zeit nach den Europawahlen Anfang Juni. Höhepunkt dürfte die Rede Macrons vor der Dresdner Frauenkirche sein, in der er nach Angaben aus dem Elysée-Palast an seine Rede an der Pariser Elite-Universität Sorbonne vom April anknüpfen will, wo er seine Vision von Europa dargelegt hatte. Eine Antwort von Scholz darauf steht noch aus.

„Einzigartige Beziehung“

Auch aus dem Schloss Bellevue, dem deutschen Präsidentensitz, heißt es, man wolle „diese einzigartige Beziehung“ zwischen Deutschland und Frankreich, die manchmal so alltäglich scheine, feiern. Um die Einzigartigkeit herauszustreichen, habe Steinmeier Macron auch als einzigen Staatsgast zu den Feiern zum 75-jährigen Bestehen des Grundgesetzes eingeladen, die am Sonntag enden werden. „Wir wollen symbolisch das Zeichen senden, dass diese deutsch-französische Freundschaft wirklich tief ins Herz Deutschlands und des politischen Selbstverständnisses dieser Republik gehört“, wird im Bundespräsidialamt betont.

Auch die EU-Wahl wird ein wichtiges Thema dieser zweieinhalb Tage werden. Während sie in Frankreich schon jetzt in der Bevölkerung ziemlich präsent sei und von den Parteien sehr ernst genommen werde, hätten die Deutschen sie noch nicht so auf dem Schirm, heißt es in Steinmeiers Umfeld. „Das ist eine gemeinsame Botschaft, die beide Präsidenten an allen Stationen senden werden: ,Geht wählen für Europa.‘“ Dahinter steckt nicht zuletzt die Sorge, dass eine niedrige Wahlbeteiligung erfahrungsgemäß extrem rechten Parteien in die Hände spielt. Bei der Europawahl 2019 lag die Beteiligung in Deutschland bei 61,4 Prozent.

Die Nagelprobe kommt am Dienstag

Die Nagelprobe, wie es wirklich um die deutsch-französischen Beziehungen steht, folgt dann am Dienstag, wenn Macron und sieben seiner Minister im Gästehaus der Bundesregierung, auf Schloss Meseberg nördlich von Berlin, mit Scholz und einem Teil des deutschen Ampel-Kabinetts zusammenkommen. Im Mittelpunkt stehen die Themen Verteidigung und Wirtschaft.

Soldatinnen mit Abzeichen der deutsch-französischen Brigade in Mülheim, Baden-Württemberg, Juli 2022.
Soldatinnen mit Abzeichen der deutsch-französischen Brigade in Mülheim, Baden-Württemberg, Juli 2022. Imago / Björn Trotzki

„Ich rufe zu einem neuen Wirtschaftsmodell, einem neuen Wachstumsmodell auf, und davon werde ich versuchen, die Deutschen zu überzeugen“, sagte Macron in einem Interview mit dem Nachrichtenmagazin „L´Express“. Ein Punkt ist sein Wunsch nach einem eigenen, umfangreichen Budget der EU für Investitionen in Verteidigung, Klimaschutz und Künstliche Intelligenz. Beim deutsch-französischen Ministerrat könnten die Weichen in diese Richtung gestellt werden, heißt es.

Aufgabe sei es, mit Deutschland neue Initiativen in der EU zu ergreifen, ähnlich wie beim 750 Milliarden Euro schweren Konjunkturpaket nach der Corona-Krise. Es gehe um Investitionen in Schlüsseltechnologien und Schritte zum Schutz der europäischen Wirtschaft, etwa vor dem Import subventionierter chinesischer Elektroautos.

Die Sache mit der Raketenabwehr

Beim Thema Verteidigung wird es nicht nur um die weitere Strategie bei der Unterstützung der Ukraine gehen, sondern vor allem darum, wie die EU-Staaten sich auch aus eigener Kraft gegen Bedrohungen vor allem aus Russland besser wappnen können. Ein Streitpunkt ist das von Deutschland initiierte Luftverteidigungssystem European Sky Shield, an dem inzwischen 21 europäische Länder beteiligt sind, Frankreich aber nicht. Paris kritisiert, dass dafür auch Technologie aus Israel und den USA eingekauft wird. Am Ende wird das Ergebnis des Regierungstreffens jedenfalls am ehesten Auskunft darüber geben, wie es um die deutsch-französischen Beziehungen wirklich steht. (APA/DPA)

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