Aufgeschnappt

Es gibt im Flieger kein Entkommen

Die Boeing-Pannen sind nicht sehr beruhigend, aber wenigstens fliegen wir nicht ins All. Muss man denn wirklich alles gesehen haben?

Ich saß einmal im Flieger, als es zu Turbulenzen kam und der ganze Irrsinn nicht aufhören wollte. Wir wurden ordentlich durchgeschüttelt, krallten uns an den Sitzen fest, die Stimmung drehte sich um 180 Grad und der Magen um 360 Grad. Die gewissenhaften Flugbegleiter versuchten noch, die aufgebrachten Passagiere zu beruhigen, aber irgendetwas war mit dem Druck und die Sauerstoffmasken fielen herunter. Mehr hat’s nicht gebraucht. Irgendwo zwischen Panik, Angst und Entsetzen hantierten die Geistesgegenwärtigen mit diesen Teilen, während die anderen eher schrien, und in dieses Chaos hinein murmelte der Pilot unverständlich verzerrte Sätze. Schließlich beruhigte sich die Lage wieder, gebraucht haben wir die Masken nicht. Aber sie hingen die restliche Flugzeit unsympathisch von der Decke herunter wie eine groteske Kunstinstallation.

Insgesamt hat die Episode wohl weniger als eine Minute gedauert, aber mir kam sie ewig lange vor; dieses Gefühl von Panik kriecht einem in die Knochen. Was ich noch gelernt habe: Ich bin doch nicht so gut auf Katastrophen vorbereitet nach all diesen aufmerksam verfolgten Sicherheitschecks. Ich sage lieber nicht, wie ich mich insgesamt angestellt habe – nur so viel: Wenn mal die Hütte brennt, lasst mich einfach liegen. Es hat keinen Sinn.

Keine so gute Publicity hat Boeing gerade. Da riss nach einem Start in Oregon einfach die Tür ab, flog durch die Atmosphäre und landete im Garten des Lehrers Bob Sauer. In San Francisco verlor eine Boeing beim Start ein Rad, auch dieses Teil krachte runter und landete auf einem Autodach. So geht es weiter mit der Liste, zuletzt starb eine Person nach schweren Turbulenzen einer Boeing 777 der Singapore Airlines. Auch wenn sich diese schlimmen Nachrichten häufen: Fliegen ist nach wie vor sicher, daran ändern auch die Boeing-Pannen nichts. Doch geht etwas schief, ist man ausgeliefert. Das ist ja das Unheimliche: Es gibt im Flieger kein Entkommen.

Und im All schon gar nicht. Vor einer Woche hat Jeff BezosBlue Origin nach einer zweijährigen Zwangspause (wegen Pannen!) sechs Leute ins All geschossen. Die Kapsel der Rakete New Shepard sieht aus wie die verdichtete Praxis eines wohlhabenden Psychotherapeuten. Es sieht nicht uneinladend aus, das will ich damit nicht sagen. Und der Blick auf die Erde ist sicherlich unbeschreiblich. Aber was ist, wenn einem die Schwerelosigkeit nicht so bekommt? Die Kapseltür nicht mitspielt? Muss man denn wirklich alles gesehen haben?

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