Und wieder stirbt der Wienerwald: Traditions-Kette meldet Ausgleich an

In Wirtschaftswunderzeiten wuchs Friedrich Jahns Hendl-Imperium Wienerwald zum Weltkonzern. Doch davon ist nur mehr wenig übrig, die Kette steht in Österreich erneut vor dem Aus.

So nackt wie ein gerupftes Hendl steht die Traditionskette Wienerwald derzeit finanziell da. Gestern, Mittwoch, bestätigten die Eigentümer, die Düsseldorfer Investmentgesellschaft Altacon, daß ein gerichtlicher Ausgleich unvermeidlich sei. 360 Gläubiger und 425 Mitarbeiter in Österreich sind von der Insolvenz betroffen.

Um die Beschäftigten macht sich Betriebsrat Gottfried Höllersberger keine Sorgen: "Wir haben viele sehr langgediente Mitarbeiter. Die sind schon krisengeeicht und bewahren auch in solchen Fällen Ruhe."

Das stimmt. Zuletzt war Wienerwald wahrlich kein Ort der Beschaulichkeit, und Hähnchen haben sich nicht immer als Glücksbringer erwiesen. Die Eigentümer wechselten, die Konzepte noch öfter. Einmal wurde verstärkt auf den Gassenverkauf gesetzt, dann wieder auf Hauszustellung, dann wieder mehr auf das Essen in den Restaurants.

Altacon wollte Kinderecken einrichten und mit der Kernkompetenz Huhn punkten. Um Kosten zu sparen, hat Wienerwald-Geschäftsführer Oliver Blum eigene Ideen und Photos für die Werbekampagne verwendet. Allerdings hat Blum vor wenigen Wochen das Unternehmen verlassen.

Vorerst keine Schließung

Derzeit gibt es noch 23 Wienerwald-Standorte in Österreich. Eine Schließung der Filialen ist vorerst nicht vorgesehen. Durch den Verkauf eines Grundstückes soll der Ausgleich finanziert werden. Zudem wollen die Eigentümer mit Investoren reden, die der Kette weiteres Geld zur Verfügung stellen sollen.

Dabei gab es eine Zeit, da galt Wienerwald als Vorzeigeunternehmen. Und der Aufstieg des Hendl-Imperiums liest sich wie das Märchen vom Huhn, das goldene Eier legt. Anfang der 50er Jahre tritt der 1923 in Linz geborene Wirtssohn Friedrich Jahn in der Münchner Amalienstraße in die Fußstapfen seines Vaters - er eröffnet dort das "Linzer Stüberl", aus dem wenig später das erste Wienerwald-Lokal wird. Mit gegrillten und gebackenen Hendln trifft er genau den Geschmack der mit Essensspezialitäten wenig verwöhnten Nachkriegsgeneration.

Am damals aufkeimenden deutschen Wirtschaftswunder, von dem wenig später auch Österreich profitiert, nascht der hemdsärmelige Oberösterreicher kräftig mit. Er eröffnet einen Wienerwald nach dem anderen. Mitte der sechziger Jahre nennt der "Hendl-Jahn" bereits 174 Lokale sein eigen, 4200 Mitarbeiter sorgen dafür, daß von Mittag bis Abend täglich frische Grill- und Backhendln mit Salat oder Pommes frites an den Tischen serviert oder über den Gassenverkauf verabreicht werden.

Zehn Jahre später besitzt der ungekrönte Hendl-König bereits 375 Restaurants in neun Ländern, Beteiligungsgesellschaften, die Schnellimbiß-Kette Kick und eine Franchise-Gesellschaft, die das Wienerwald-Know-how an Vertragswirte verkauft. Ende der Siebziger Jahre werden in 551 Wienerwald-Betrieben bereits täglich 300.000 Gäste versorgt. Deshalb müssen auch täglich 150.000 Hühner an die vielen Standorte transportiert werden. Denn die Devise von Jahn heißt: "Frische Ware lockt Gäste zu uns."

Den Absturz vom Hendl-Höhenflug leitet dann der Sprung über den Atlantik - ausgerechnet im Land der unbegrenzten Möglichkeiten - ein. In den USA erlebt der in Europa geschäftstüchtige Jahn mit der von ihm erworbenen Restaurant-Kette Lumps und der Kette Ihop (International House of Pancakes) seine erste große Pleite. Und in Europa sieht der Hendl-König vor lauter Wienerwald die Bäume nicht, die ihm echte Probleme bringen. Mit der Touristik-Tochter Jahn-Reisen und der Tourotel-Gruppe (mit knapp 3000 Hotelbetten) übernimmt sich Jahn finanziell. Sein Firmenimperium wächst auf rund 27.000 Mitarbeiter, gleichzeitig wächst aber auch sein Schuldenberg. Der beträgt Anfang der achtziger Jahre - inklusive US-Pleite - satte zwei Milliarden US-Dollar. Von da an geht's bergab, weil die Banken dem Hendl-König den Geldhahn zudrehen. Jahn vereinbart mit den Kreditinstituten ein "Gesundschrumpfungs-Konzept" und zieht sich weitgehend aus der Geschäftsführung zurück. Dennoch ist die Insolvenz nicht mehr aufzuhalten. 1982 muß er den Ausgleich anmelden. Von da an haben die Banken das Sagen.

Um zu retten, was noch zu retten ist, verkaufen die Gläubigerbanken 1986 die Wienerwald Holding an die Münchner Geschäftsfrau Renate Henne-Thyssen - für ganze 140 Millionen Schilling (heute: 10,17 Mill. €). Und siehe da: Jahn kehrt in sein klein gewordenes Reich zurück - und hilft Frau Henne, das einstige Hendl-Imperium aus dem Pleitesumpf zu ziehen - als Außendienstleiter für Wienerwald Österreich und Deutschland.

Die beinharte Geschäftsfrau Henne-Thyssen hat von ihrem Ausflug in das Gastronomie-Business bald genug. Sie tritt die deutsche Wienerwald-Gruppe für einen "Pappenstiel" an Jahn ab. Und sagt ihm eine Option für Wienerwald Österreich zu - das scheitert aber. Also verkauft sie Ende 1989 die Österreich-Kette an die gemeindeeigene Wiener Holding-Tochter Wigast. Jahn trennt sich fast zur gleichen Zeit von Wienerwald Deutschland und verkauft ebenfalls an die Wigast.

Der damalige Wiener SP-Chef, Vizebürgermeister und Finanzstadtrat Hans Mayr, verkauft wiederum Anfang der neunziger Jahre die kommerziell geführten Holding-Betriebe (mitsamt Wienerwald) an die Bank Austria. Dann wird das Verkehrsbüro (das zum Teil auch der Bank Austria gehört) zunächst Manager, später auch Eigentümer der Gastronomie-Kette. Und vor knapp einem Jahr wird wieder jemand neuer gefunden, der Interesse am Hendl-Brater hat: Die Düsseldorfer Investorengruppe Altacon. Sie kauft mit Jahresbeginn 2001 die deutschen und die österreichischen Teile der Wienerwald-Kette, die Wienerwald-Autoraststätten werden schon vorher an die italienische Autogrill abgegeben.

Wenn man einen Blick auf die Gastronomielandschaft in Österreich wirft, kräht kein Hahn mehr nach Wienerwald, die Kette spielt nur mehr eine kleine Rolle. Und während es Jahn nicht gelang, Amerika zu erobern, ist die Fast-food-Kette McDonald's in der Zwischenzeit Nummer eins in der österreichischen Systemgastronomie. Chicken gibt es dort übrigens auch.

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