Der Luftkrieg um die Kampfjets in der Endphase

Der milliardenschwere Kauf von Abfangjägern für das Bundesheer tritt in die entscheidende Phase. Weshalb benötigt es die Jets? Wie sind die Gegengeschäfte? Eine Zwischenbilanz.

Tausende Seiten Papier sind gesichtet, die Experten der Bewertungskommission im Verteidigungsministerium treten das Finale an. In dieser Woche sollen sie mit Hilfe einer standardisierten Checkliste aus den drei Abfangjäger-Angeboten den Bestbieter ermitteln. So lautet die Vorgabe. Freilich sind, wie sich herausstellt, trotz der Fülle an Angaben noch Detailfragen offen, die an die Hersteller gerichtet werden müssen.

Gleichzeitig prüft das Wirtschaftsressort die Gegengeschäfte für den Kauf von 24 Nachfolgern für die "Draken"-Abfangjäger. Denn so viel ist jedenfalls gewiß: Im Zuge des größten Rüstungsgeschäfts der österreichischen Geschichte werden in zahlreichen heimischen Firmen die Kassen klingeln. Und zwar kräftig. So stehen den 1,82 Milliarden Euro (25 Mrd. S), die laut Vorgabe die Jets maximal kosten dürfen, Gegengeschäfte in zumindest demselben Ausmaß gegenüber.

Die Anbieter der schwedischen Saab-"Gripen" und des Eurofighters "Typhoon" locken sogar mit Kompensationen in doppelter Höhe des Auftragswerts. Lediglich die Produzenten des "F-16" enttäuschen diesbezüglich. Der US-Konzern Lockheed Martin hat genaugenommen nicht einmal die 100-Prozent-Hürde übersprungen, wie trotz strenger Geheimhaltung aus dem Ministerium zu hören ist. Es ist kein Zufall, daß heute, Montag, Verteidigungsminister Herbert Scheibner, einen dreitägigen Besuch in den USA antritt, bei dem er auch einen Luftwaffenstützpunkt besuchen wird. Die USA sind berühmt, berüchtigt dafür, derartige Rüstungsexporte sehr offensiv auf allen diplomatischen und politischen Ebenen zu unterstützen.

Gravierender als die Höhe von Gegengeschäften - zumindest für die rein militärische Bewertung des Kosten-Nutzen-Verhältnisses der angebotenen Produkte - sind aber zunächst Probleme anderer Natur. So soll, wie von maßgeblicher Stelle aus dem Verteidigungsressort durchsickert, das deutsch-britisch-italienisch-spanische Eurofighter-Konsortium noch kein geeignetes Übergangsangebot für die Zeit zwischen Stillegung der "Draken"-Flotte und der ersten Lieferung neuer Flugzeuge gemacht haben.

Eurofighter verfügt zwar, was nicht weiter verwundert, über eine lange Bestelliste aus exakt jenen Ländern, die den Jet produzieren; der "Typhoon" ist aber noch nicht einmal in Serienproduktion gegangen. Und ab nächstem Jahr werden die nur noch in Österreich abseits von Oldtimer-Flugshows eingesetzten "Draken" endgültig aus dem Verkehr gezogen. Das Bundesheer will mit allen Mitteln eine ein- bis zweijährige Lücke in der Luftüberwachung ausschließen - nicht nur, weil sich sonst die Frage aufdrängt, weshalb Österreich überhaupt Abfangjäger benötigt.

Über 1000 Arbeitsplätze

Daß die Frage gestellt wird, verwundert zumal in Österreich nicht wirklich. Bemühte Argumente, mit dem Überwachungsgeschwader hingen immerhin mehr als 1000 Arbeitsplätze direkt oder indirekt zusammenhängen, oder auch aus neutralitätsrechtlicher Sicht sei der Schutz des Luftraums geboten, dringen nicht durch. Zu intensiv schießen "Kronen-Zeitung" und Rot-Grün gegen den Kauf.

Die Regierungsmitglieder läßt das kalt. Mit einer Ausnahme: Finanzminister Karl-Heinz Grasser wird zum Gaudium der Opposition nicht müde, die Sinnhaftigkeit eines Abfangjäger-Kaufs in Zweifel zu ziehen. Gerüchte wollen nicht verstummen, der Ex-Unternehmenssprecher des Magna-Konzerns von Frank Stronach mache sich hinter diesem Nebelvorhang für Eurofighter stark.

Gerade bei Magna dürfte die Auftragsvergabe aber kein Nervenflattern auslösen. Vielmehr darf der Automobil- und Luftfahrtzulieferer in jedem Fall mit fetten Aufträgen rechnen, egal für welche Jäger sich Österreich letztendlich entscheiden wird. Am stärksten würde der Konzern am vom Zuschlag an das Eurofighter-Konsortium profitieren. Schließlich spielt dort DaimlerChrysler, dessen europäischer Konzernteil für rund 800 Millionen Euro (elf Mrd. S) im Jahr bei Magna zukauft, die tragende Rolle.

Apropos Gegengeschäfte: Deren praktische Bedeutung im Beschaffungsvorgang ist zunächst nicht sehr groß. Denn das Verteidigungsministerium ermittelt den Bestbieter ohne Berücksichtigung der Gegengeschäfte aus militärischer Sicht. Erst wenn Angebote in der Bewertung sehr nahe aneinander liegen, entscheiden Quantität und Qualität des Off-Set-Bereichs, also der Geschäfte, Kooperationen und Beteiligungsangebote.

Von Ökonomen wird die Praxis derartiger Tauschgeschäfte höchst kritisch beäugt. Von "Vodoo-Ökonomie" - aus einem  auf der Ausgabenseite werden plötzlich zwei  auf der Einnahmenseite - bis hin zur Freunderlwirtschaft im öffentlichen Bereich oder gar Parteienfinanzierung ist da die Rede.

Für Helmut Kramer, Chef des Instituts für Wirtschaftsforschung (Wifo), sind Kompensationsgeschäfte nur dann tragbar, wenn sie den Absatz österreichischer Produkte ankurbeln, für die es keinen funktionierenden Markt gibt. Als Beispiel nennt er die Rüstungs- und Luftfahrtindustrie. Laut Kramer sind Gegengeschäfte keine heimische Erfindung, sondern in ganz Europa Usus.

Überprüfung ist schwierig

Das Problem bei derartigen Transaktionen liegt insbesondere in der Ex-post-Betrachtung. Ein im Wirtschaftsministerium eingerichteter Beirat soll sicherstellen, daß Geschäfte, die auch ohne Flugzeugkauf über die Bühne gingen, nicht plötzlich zu den Kompensationen gezählt werden. Ob diese Trennung in der Praxis exakt vorzunehmen sind, bleibt offen.

Der Kreis der potentiellen Kandidaten für Firmen ist beschränkt. Schließlich bezahlt man die Flieger ja nicht mit Kernöl, Getreide oder Gummistiefeln. In Frage kommen ausschließlich Unternehmen aus dem High-Tech-Bereich. Die Liste der möglichen Sparten umfaßt Automobilzulieferer, Firmen aus der Luft- und Raumfahrt, Forschungszentren, Biotechnologie sowie Informations- und Kommunikationstechnologien.

So finden sich auf den Kompensationslisten Firmen wie der Flugzeugteilbauer Fischer Advanced Composite Components (FACC) oder die Tiroler Plansee-Werke. Beim Zuschlag an den von Saab-British Aerospace hergestellten Gripen würden in Ranshofen Jubelschreie ertönen. Die Alulight Ranshofen sollte Teile an schwedische Automobil-Konzerne liefern.

Interessant könnten die Gegengeschäfte sein, wenn Österreich die F-16 von Lockheed Martin kauft. Experten zufolge ist es unter normalen Umständen praktisch unmöglich, einen Fuß in die US-Rüstungsindustrie zu setzen. Ein willkommener Kandidaten für Gegengeschäfte dürfte in jedem Fall das Forschungszentrum Seibersdorf sein, das auf dem Materialsektor für die Luft- und Raumfahrt einen exzellenten Ruf genießt und auch bereits mit der US-Raumfahrtbehörde NASA kooperiert. Auch FACC und Plansee würden sich freuen, Böhler-Uddeholm und die Amag, Steyr und Andritz.

Es sind freilich nicht die Luftfahrtkonzerne selbst, die Gegengeschäfte verteilen. Vielmehr sind es Firmen, die hinter den Bieter-Konsortien stehen bzw. aus den Ländern der Produzenten stammen. Beim "Eurofighter" stehen etwa die Airbus-Industrie, British Aerospace (ist auch beim "Gripen" beteiligt) und Daimler Chrysler als potentielle Geschäftspartner für die heimische Wirtschaft Gewehr bei Fuß. Im Falle der "F16" sind es General Electric, United Technologies und der Software-Riese Oracle, die sich als Partner anbieten.


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