Heikle Partnerwahl: Hat der Freier Wolbachia im Leibe?

Boku-Forscher analysieren, ob Raubmilben-Weibchen riechen können, welche Männchen ihrer evolutionären Fitness abträglich sind.

Ein Weibchen zwischen zwei Männchen, wen wird es wählen? An der Entscheidung hängt viel, die "Fitness" des Weibchens, ihr Beitrag zum Genpool der nächsten Generation. Denn die Männchen sehen zwar gleich aus, aber möglicherweise duften sie anders und vermutlich verhalten sie sich auch anders und zeigen damit, daß sie etwas im Leibe tragen, das über Qualität und Quantität der Nachkommen entscheidet: das Bakterium Wolbachia.

Das ist weit verbreitet unter den Arthropoden (Insekten und Spinnen) - etwa 75 Prozent aller Arten haben es in sich - und will überall nur eines: sich selbst fortpflanzen. Das kann es aber nur von einer Wirtsgeneration zur nächsten - Wolbachia lebt nicht frei in der Umwelt wie viele andere Bakterien, sondern in den Zellen der Wirte -, und das kann es nur über das Zytoplasma der Eier, nicht über die Spermien. Deshalb arbeitet Wolbachia auf den unterschiedlichsten Wegen darauf hin, die Zahl der infizierten Weibchen in den Populationen zu heben: In manchen Arten werden durch das Bakterium die Männchen verweiblicht, in anderen werden sie früh getötet und dienen ihren Schwestern als Futter.

"Aber der häufigste Mechanismus ist die unidirektionale zytoplasmatische Inkompatibilität", erklärt Peter Schausberger (Institut für Pflanzenschutz, Wiener Universität für Bodenkultur): "Wenn nicht infizierte Weibchen von infizierten Männchen befruchtet werden, gibt es überhaupt weniger lebensfähige Nachkommen, und das sind fast nur Männchen. So werden die nicht infizierten Weibchen aus der Population hinausgedrängt. Das vermuten wir auch bei unserem Labortier, der Raubmilbe Phytoseiulus persimilis."

Wir, das sind Schausberger und seine Dissertantin Monika Enigl, die - im Rahmen eines Wissenschaftsfonds-Projekts - im Labor die Raubmilben züchten und sie mit ihrer natürlichen Beute füttern, Spinnmilben. Die Milben stammen von Forscherkollegen aus der halben Welt, Enigl und Schausberger bauen aus ihnen zwei "genetisch ähnliche" Kolonien auf, eine Wolbachia-befallene und eine -freie (die Bakterien lassen sich mit Antibiotika und/oder hohen Temperaturen vertreiben).

Widerwillige Paarung?

Dann werden die Wahlversuche durchgeführt: Bei anderen Milben hat man bemerkt, daß die Infektion sich nicht durch die Population ausbreitet, sondern auf konstantem Niveau bleibt - daß also die Wirte Gegenstrategien gegen den ungebetenen Gast haben und ihre Partner mit Bedacht wählen.

Deshalb will Enigl beobachten, ob die Weibchen zwischen infizierten und nichtinfizierten Männchen unterscheiden können und wie sie reagieren: ob sich sie sich widerwilliger mit Infizierten paaren, und ob sie Fehler wieder gut machen, indem sich nach Paarungen mit infizierten noch einmal mit nicht infizierten Männchen paaren.

Das ist nicht nur für die Grundlagen der Verhaltensökologie interessant, es kann praktische Konsequenzen haben: Die Raubmilbe wird weltweit im biologischen Pflanzenschutz gegen Spinnmilben eingesetzt, Wolbachia könnte mit darüber entscheiden, ob Populationen besser oder schlechter gedeihen. Und Wolbachia könnte sich nützlich machen, als Genfähre: Eine amerikanische Forscherin denkt darüber nach, ob man mit ihr erwünschte Eigenschaften in die Raubmilben einschleusen könnte, etwa Resistenzen gegen Herbizide oder Trockenheit.

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