Raubfische sollen mehr Pflanzen fressen

Die Aquakultur, die bisher eher einer großen Fischvernichtung glich, soll auf verblüffend einfache Weise revolutioniert werden.

Die Aquakultur, aus der mehr als ein Viertel aller vom Menschen verzehrten Fische und Meerestiere kommt, ist eine zweischneidige Sache: Auf der einen Seite leistet sie in ihrer traditionellen Variante - vor allem in China, wo man seit Jahrhunderten Karpfen in Teichen hält und Algen abweiden läßt - einen großen und umweltverträglichen Beitrag zur Ernährung. Auf der anderen Seite betreibt sie Fischvernichtung in großem Stil mit bösen ökologischen Folgen.

Denn die Tiere müssen erst einmal irgendwo herkommen. Shrimps etwa werden als Larven gefangen - die den freilebenden Populationen fehlen. Und dann müssen sie fressen. Außer den Karpfen aber sind alle in Aquakultur gehaltenen Tiere Räuber und ernähren sich von Pellets aus Fischmehl: Drei Kilo brauchen Lachse und Shrimps, um selbst ein einziges Kilo anzusetzen. Und bei anderem Meeresgetier ist das Verhältnis noch ungünstigerer, etwa beim Kabeljau, der so überfischt ist, daß EU-Experten ein völliges Fangverbot empfehlen. Die Aquakultur will einspringen, aber Kabeljau braucht für ein Kilo Fleisch gleich fünf Kilo Fischmehl.

Diese kommt von "weniger wertvollen" Fischen - die nur insofern weniger wertvoll sind, als sie von Menschen nicht als Speisefische geschätzt werden. In den Meeren aber fehlen sie in der Nahrungskette.

Mit Düften Freßgier reizen

"Wir hoffen, daß wir mit gezielter Beeinflussung des Freßverhaltens die Aquakultur revolutionieren werden", erklärt Sandy Moore, Fischbiologe am britischen Centre for Enviroment, Fisheries and Aquaculture: "Wir wollen die Fische teilweise auf Pflanzen-Nahrung umstellen, mit Pheromonen." Mit Duftstoffen also, die die Räuber nach allem schnappen lassen, was ihnen angeboten wird (www.cefas.co.uk).

Daß das grundsätzlich funktioniert, haben die Forscher gezeigt: Sie haben Angelköder entwickelt, die wie Beutefische duften. Bei der Aquakultur sollen andere Düfte helfen: die der Jäger selbst. Sie sollen ihnen extreme Freß-Konkurrenz signalisieren und ihre Gier reizen. "Sie fressen ohnehin wie wild, wenn sie Futter sehen, man müßte sie eher einbremsen", beurteilt Uwe Waller, Meereskundler der Uni Kiel, die Duft-Idee eher zurückhaltend: "Aber alle Versuche zur Lösung der ökologischen Probleme sind willkommen."

Waller selbst denkt an eine umfassendere Revolution. Er will die Aquakultur vom offenen Meer auf das Land verlegen und dort in eine geschlossene Kreislaufwirtschaft verwandeln (www.marikultur.info): "Wir haben schon eine Anlage, auf früher landwirtschaftlich genutzten Flächen." Dort gedeihen in meerwassergefüllten Tanks Wolfsbarsche, die teilweise von Organismen ernährt werden, die ihrerseits die Fäkalien der Fische verwerten.

Diese bringen in der üblichen Aquakultur große Probleme, etwa Algenblüten mit Fischsterben im Gefolge. Und sie ruinieren ganze Regionen, vor allem die Mangrovenküsten Südostasiens - woher wohlfeile Shrimps in unsere Geschäfte geschwemmt werden. Nach wenigen Jahren sind die Küstenabschnitte so fäkalien- und chemiebelastet, daß die Erträge einbrechen. Dann zieht die Fischkarawane weiter und legt die nächsten Mangroven nieder, was sich nicht nur im Meer rächt - Mangroven bieten Tieren Schutz -, sondern auch an Land: Viele "Sturmkatastropen" in Indien hat es nicht gegeben, solange die Mangroven Wind und Wellen abfingen.

Fisch-Fäkalien-Kreislauf

Zudem bringt die Mangrovenzerstörung Konflikte mit dem Tourismus. Diese ließen sich mit Wallers Konzept entschärfen - das auch überproduktionsgeplagten Landwirten neue Felder erschließen könnte: Im einen Tank hausen die Fische, in den zweiten gehen ihre Abwässer; dort werden sie von Algen gereinigt und von Würmern gefressen. Beide können dann verfüttert werden, das Wasser strömt zurück.

Laborversuche mit Meersalat und Meereswürmern versprechen viel: "Herkömmliche Aquakultur produziert auf 3000 Quadratmetern 100 bis 150 Tonnen Fisch im Jahr", bilanziert Waller. "Wir hoffen auf bessere Erträge."

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